Ein leerer Tank auf dem Weg zur Arbeit kann unangenehm sein, doch er begründet keinen Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung. Das entschied jüngst das Landessozialgericht Baden-Württemberg und wies damit die Klage einer Auszubildenden ab, die auf dem Weg zur Tankstelle verunglückte. Auch wenn der Tankstopp notwendig war, um zur Arbeitsstelle zu gelangen, handelte es sich aus Sicht der Gerichte nicht um einen versicherten Arbeitsweg (Az.: L 10 U 3706/21).
Die Klägerin wollte im März 2021 mit dem Motorrad von ihrem Wohnort zu ihrer etwa 18 Kilometer entfernten Ausbildungsstätte fahren. Kurz nach Fahrtantritt bemerkte sie, dass der Tank fast leer war – mutmaßlich, weil ihr Bruder das Fahrzeug am Vorabend benutzt und nicht wieder aufgetankt hatte. Sie entschloss sich deshalb, zunächst zur nächstgelegenen Tankstelle zu fahren, die jedoch in entgegengesetzter Richtung lag. Noch bevor sie dort ankam, kam es zum Unfall: Beim Ausweichen vor einem anderen Fahrzeug stürzte sie und verletzte sich am Bein. Es folgte ein längerer krankheitsbedingter Ausfall.
Ein Umweg ist kein Arbeitsweg mehr
Die Berufsgenossenschaft erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an und begründete dies damit, dass der Weg zur Tankstelle eine private Tätigkeit sei, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Auch der Widerspruch der jungen Frau blieb ohne Erfolg. Sie argumentierte, der Tankmangel sei für sie unvorhersehbar gewesen – erst beim Starten habe sie bemerkt, dass der verbleibende Kraftstoff nicht für die gesamte Strecke ausreiche. Damit, so ihre Auffassung, sei das Tanken eine notwendige Vorbereitungshandlung zur Arbeitsaufnahme gewesen und müsse daher versichert sein.
Das Sozialgericht Karlsruhe folgte dieser Argumentation nicht. Entscheidend sei, dass sich der Unfall nicht auf dem direkten Weg zur Ausbildungsstätte ereignet habe. Der Umweg zur Tankstelle – selbst wenn er durch einen unerwartet leeren Tank bedingt war – falle nicht in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung. Auch dass ein Familienmitglied das Fahrzeug zuvor genutzt habe, stelle keinen außergewöhnlichen Umstand dar, der eine Ausnahme rechtfertigen würde.
LSG rät zu vorausschauendem Verhalten
Diese Einschätzung wurde nun vom Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigt. Die Richter betonten, es gehöre zur Eigenverantwortung der Versicherten, die Einsatzbereitschaft ihres Fahrzeugs sicherzustellen. Das Risiko, dass ein Familienmitglied den Tank leert, ohne dies zu kommunizieren, liege im persönlichen Einflussbereich der Versicherten. Andernfalls würde gerade die sorglose Nutzung eines Fahrzeugs – etwa ohne Überprüfung des Tankstands – besser gestellt als das vorausschauende Verhalten.
Der Fall macht deutlich: Wer vor der Arbeit noch tanken muss, bewegt sich rechtlich in einer Grauzone. Für die gesetzliche Unfallversicherung gilt der Grundsatz, dass nur der unmittelbare Weg zur Arbeitsstätte versichert ist – und dazu gehört das Tanken in der Regel nicht.