Der Fachkräftemangel im deutschen Handwerk spitzt sich weiter zu. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) bleiben jährlich zehntausende Stellen unbesetzt. Die klassische Stellenanzeige reicht heute oft nicht mehr aus, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Unternehmen müssen kreativ werden und potenzielle Kandidaten dort ansprechen, wo sie zu finden sind – nicht selten bei der Konkurrenz.
Diese Praxis ist grundsätzlich legitim, hat aber auch Grenzen, wie das LG Koblenz verdeutlichte (Az.: 11 O 12/24). In dem Rechtsstreit ging es um etwa 25 Mitarbeiter, die zwischen zwei Unternehmen hin- und hergeworben wurden.
Was ist erlaubt?
Das Landgericht stellte in seiner Entscheidung wichtige Grundsätze klar:
- Die Abwerbung von Mitarbeitern ist grundsätzlich zulässig, auch unter direkten Konkurrenten.
- Dies gilt auch für die „Rückabwerbung“ bereits abgeworbener Mitarbeiter.
- Unternehmen dürfen:
- Prämien für das Bleiben im Unternehmen ausloben
- Mitarbeitern kostenlose Rechtsberatung zur Kündigung anbieten
- aktiv auf Mitarbeiter der Konkurrenz zugehen
Und was nicht?
Unzulässig wird die Abwerbung nur dann, wenn:
- sie primär der Schädigung des Konkurrenzunternehmens dient
- verwerfliche Mittel eingesetzt werden
- Mitarbeiter zum Vertragsbruch verleitet werden
- die wirtschaftliche Tätigkeit des Konkurrenten gezielt behindert werden soll
Fazit für die Praxis
Unternehmen können und dürfen im Kampf um qualifizierte Fachkräfte aktiv werden. Solange die Abwerbung fair und ohne Schädigungsabsicht erfolgt, bewegen sie sich im rechtlich zulässigen Rahmen. Entscheidend ist, dass die eigenen wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen und nicht die Schädigung der Konkurrenz.
Für Arbeitnehmer bedeutet dies eine Stärkung ihrer Position: Sie können von verschiedenen Angeboten profitieren und ihre Arbeitsplatzwahl frei treffen. Dies entspricht auch dem grundgesetzlich geschützten Recht der freien Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG.
Das Urteil des LG Koblenz zeigt, dass auch großzügige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung wie „Bleibe-Prämien“ oder kostenlose Rechtsberatung zulässig sind, solange sie allen Mitarbeitern gleichermaßen zur Verfügung stehen und wiederum nicht gezielt der Schädigung eines Konkurrenten dienen.