Stellen Schein- und Abdeckrechnungen eigene umsatzsteuerpflichtige Leistungen dar?

Das Hessische Finanzgericht hat kürzlich eine Entscheidung getroffen, die für die Baubranche und ihre Dienstleister weitreichende Konsequenzen haben könnte. Im Kern geht es um die Frage: Ist die Erstellung von Schein- und Abdeckrechnungen eine eigenständige umsatzsteuerpflichtige Leistung?

Ausgeklügeltes System der Schwarzarbeit

In dem verhandelten Fall hatte die Steuerfahndung im Rahmen von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen festgestellt, dass die Klägerin Provisionen für die Erstellung von Scheinrechnungen erhalten hatte. Das System funktionierte dabei folgendermaßen:

Verschiedene Servicefirmen stellten Rechnungen über angeblich erbrachte Lieferungen und Leistungen aus. Diese Rechnungen ermöglichten es Unternehmen aus der Baubranche, Zahlungen an Schwarzarbeiter buchhalterisch darzustellen, ohne die entsprechenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten zu erfüllen.

Das Kriminelle an diesem System: Der gesamte Rechnungsbetrag wurde zunächst durch eine reguläre Überweisung an die Servicefirma beglichen und in der Buchhaltung als Subunternehmerauftrag verbucht. Doch dann folgte der Trick – das Rechnungsvolumen abzüglich der Provision wurde den Kunden umgehend in bar zurückerstattet, sodass sie mit diesem Bargeld ihre Schwarzarbeitskräfte bezahlen konnten.

Als Sahnehäubchen bot die Klägerin noch einen zusätzlichen Service an: Die Schwarzarbeiter wurden als angeblich legale Beschäftigte der jeweiligen Servicefirma mit geringfügigen, fiktiven Löhnen bei den zuständigen Behörden angemeldet. Dies sollte bei Kontrollen auf der Baustelle für ein Mindestmaß an formaler Absicherung sorgen.

Finanzgericht: Leistung ist Leistung

Das Finanzamt sah in diesen Aktivitäten eine steuerbare Leistung eigener Art und unterwarf die erhaltenen Provisionszahlungen der Umsatzsteuer. Die Klägerin hingegen argumentierte, dass mangels eines Leistungsaustauschs keine Umsatzsteuer anfallen dürfe.

Das Finanzgericht wies die Klage jedoch zurück und stellte klar: Die Klägerin hat mit ihren Aktivitäten eine einheitliche sonstige Leistung erbracht. Die auf das bestellte Rechnungsvolumen aufgeschlagene Provision ist als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt zu betrachten.

Besonders interessant ist die Begründung des Gerichts: Die Leistung beschränkt sich nicht auf den bloßen „Handel mit Scheinrechnungen“ oder die bloße Beteiligung an einer Steuerhinterziehung. Vielmehr umfasst sie ein mehrteiliges Leistungspaket, das umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung eigener Art zu bewerten ist.

Die Vereinnahmung, Abhebung und Rückführung des bestellten Abdeckvolumens an den Rechnungskunden ist mindestens gleichwertig und kann nicht als unselbstständige Nebenleistung betrachtet werden. Dies gilt insbesondere, wenn ein solches Leistungsangebot nachhaltig am Markt angeboten wird – was im vorliegenden Fall durch den mehrjährigen Einsatz verschiedener Schein-GmbHs und die Gewinnung von Neukunden durch Mundpropaganda gegeben war.

Spannungsverhältnis zur höchstrichterlichen Rechtsprechung

Interessanterweise steht diese Entscheidung in einem gewissen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs. Nach deren Auffassung sollen keine steuerbaren Umsätze vorliegen können, weil ein legaler Handel mit Schein- und Abdeckrechnungen gar nicht möglich ist und auch kein Wettbewerb existiert – selbst wenn für diese Tätigkeit unstreitig eine gesonderte Provision gezahlt wurde.

Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof in dem nun anhängigen Revisionsverfahren (Az. BFH V R 21/24) positionieren wird. Für redliche Unternehmer dürfte es jedenfalls schwer nachvollziehbar sein, dass Zahlungen für unterlassene Handlungen (Verzichtsleistungen) in den meisten Fällen der Umsatzsteuer unterliegen, Zahlungen für strafbare Handlungen hingegen nicht (Hessisches FG, Az.: 6 K 443/22).

Recht kurzweilig
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