Urlaubsansprüche trotz Beschäftigungsverbot?

Manchmal lassen sich das sogenannte „gesunde Rechtsempfinden“ nicht mit der Gesetzeslage in Einklang bringen. Deutlich wird das in einem Fall, den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte.

Während ihrer Anstellung von 2017 bis März 2020 war eine Frau aufgrund zweier Schwangerschaften durchgängig von mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten betroffen und konnte bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses nicht arbeiten. Dennoch entschied das BAG, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin den angesammelten Urlaub abzugelten hat.

Rechtliche Grundlage

Nach § 24 Satz 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) gelten Zeiten eines Beschäftigungsverbots als Arbeitszeiten. Dies führt dazu, dass während eines solchen Verbots Urlaubsansprüche in voller Höhe entstehen. Darüber hinaus bestimmt § 24 Satz 2 MuSchG, dass Urlaub, der vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht genommen werden konnte, auch nach Ende des Verbots im laufenden oder darauffolgenden Urlaubsjahr genommen werden darf.

Fiktive Arbeit

Im vorliegenden Fall forderte die Arbeitnehmerin nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von 68 Urlaubstagen. Diese setzten sich aus Resturlaub aus 2017 sowie den vollen Urlaubsansprüchen der Jahre 2018, 2019 und anteilig 2020 zusammen.

Der Arbeitgeber lehnte dies ab und argumentierte, dass während durchgängiger Beschäftigungsverbote keine Urlaubsansprüche entstehen könnten, da keine Arbeitspflicht bestände und damit auch kein Erholungsbedürfnis.

Das BAG wies diese Argumentation zurück und stellte klar, dass Urlaubsansprüche auch während der Dauer von Beschäftigungsverboten bestehen. Maßgeblich sei die gesetzliche Fiktion, wonach Beschäftigungsverbote wie Arbeitszeiten behandelt werden.

Keine Verjährung

Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils war, dass die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin nicht verfallen waren. Das BAG erklärte, dass § 24 Satz 2 MuSchG eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des § 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) darstellt, wonach Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss.

Laut BAG können Arbeitnehmerinnen, die aufgrund von aufeinanderfolgenden Beschäftigungsverboten keinen Urlaub nehmen konnten, diesen ansammeln und erst nach Beendigung der Verbote nutzen. Dies gilt selbst dann, wenn mehrere Beschäftigungsverbote unmittelbar aufeinanderfolgen, wie im vorliegenden Fall.

Letzte Instanz

Das BAG entschied letztinstanzlich, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die geforderten 68 Urlaubstage abzugelten. Das Gericht stellte fest, dass der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vollständig bestand und der Anspruch auf Abgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG gegeben war, da der Urlaub aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnte (BAG, Az.: 9 AZR 226/23; Sächsisches LAG, Az.: 9 Sa 157/21).