Finanzamt darf Umsatz und Gewinn schätzen


Wenn ein Steuerpflichtiger über größere private Finanzmittel zu verfügen scheint als es der Betrieb, eine weitere Tätigkeit oder eine andere Quelle hergeben, oder wenn eine Einlage in das Betriebsvermögen nicht zuzuordnen ist, hilft auch eine formell ordnungsgemäße Buchführung nicht weiter – das Finanzamt wird hellhörig und beginnt nachzufragen. Spätestens jetzt sollte man möglichst dem Steuerprüfer, spätestens aber dem Beamten der Steuerfahndung überzeugende Erklärungen anbieten können. Mit viel Glück und bei überschaubaren Beträgen kann erste – und hoffentlich einzige – Schritt des Finanzamts eine Schätzung sein. Und die ist zulässig, wie das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestätigte (Az.: 2 K 2160/17).

Die Bargeldverkehrsrechnung

Errechnet wurden im Urteilsfall, in dem ein Stuckateur ins Visier der Behörden gekommen war, die Umsätze und Gewinne als sogenannte Bargeldverkehrsrechnung anhand der Ausgabenüberhänge. Die Lebenshaltungskosten hatten die Finanzbeamten in Anlehnung an Hartz IV-Regelsätze berücksichtigt. Die Reingewinne schließlich wurden im oberen Rahmen der Richtsatzsammlung für Stuckateurgewerbe, Gipserei und Verputzerei vom Nettoumsatz  berechnet, da die Auftraggeber das Material direkt beim Baustoffhändler bezahlt und keine Löhne angefallen waren. Betriebsausgaben wurden als Differenz zwischen Bruttoumsatz und Reingewinn in der Schätzung berücksichtigt.

Die Bargeldverkehrsrechnung stellt eine Deckungsrechnung dar, in der die dem Finanzamt bekannten Barmittel den Barausgaben gegenübergestellt werden. Dabei wird versucht nachzuvollziehen, ob die Lebenshaltungs- und privaten Konsumkosten aus dem offiziell vorhandenen Geldern überhaupt zu decken waren. Gibt der Steuerpflichtige höhere Beträge aus, als ihm möglich gewesen wären, muss der Unterdeckungsbetrag erklärt werden können – und das aus Sicht des Steuerpflichtigen möglichst aus steuerrechtlich nicht relevanten Quellen. Ist das nicht der Fall, muss von Steuerhinterziehung beziehungsweise von Schwarzarbeit ausgegangen werden.

Verstärkte Mitwirkungspflicht

Vor allem private Einzahlungen auf betriebliche Bankkonten ziehen das Interesse der Finanzbehörde auf sich. Sie führen zu einer verstärkten Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen, weil dieser durch aktives Handeln selbst eine Verbindung zwischen seinem Privat- und Betriebsvermögen herstellt. Kurz: Die Frage, woher das Geld stammt, muss beantwortet werden. Wird diese Mitarbeit verweigert, ist eine Schätzung unter Berücksichtigung eines sogenannten Unsicherheitsfaktors rechtmäßig. Mehr noch, die Ermittlungen der Steuerfahndung dürften entsprechend ausgeweitet werden.