Insolvenz und Arbeitsrecht – ein Überblick

2023 stellten in Deutschland rund 17.800 Unternehmen einen Insolvenzantrag, was laut Statistischem Bundesamt mehr als 165.800 Beschäftigte betraf. Dieses Niveau wird konjunktur- und krisenbedingt aller Voraussicht nach in diesem Jahr weiter steigen. Mit jedem Insolvenzantrag entsteht hohes Konfliktpotenzial zwischen allen Beteiligten – es geht schließlich um viel Geld. Bei den Mitarbeitern dominiert weniger eine kurzfristige finanzielle als mehr eine mittel- bis längerfristige Sorge um den Arbeitsplatz. Sich über arbeitsrechtliche Konsequenzen im Klaren zu sein, kann helfen, die Ruhe zu bewahren.

Arbeitnehmer erlangen mit dem Insolvenzantrag ihres Arbeitgebers eine Sonderstellung im Insolvenzverfahren, sofern dieses eröffnet und nicht mangels Masse abgewiesen wird. (In letzterem Fall wird das Unternehmen in der Regel umgehend geschlossen und durch die Eigentümer abgewickelt.) Die folgenden Punkte sollen einen kurzen Überblick über die grundlegende Rechtslage geben. Auf dieser Basis sollten konkrete Fragestellungen innerhalb des hochkomplexen Themas Insolvenz mit einem Anwalt geklärt werden.

  • Es gibt weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer den außerordentlichen “Kündigungsgrund Insolvenz”. Arbeitnehmer müssen weiterhin ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und dürfen keinesfalls eigenmächtig zu Hause bleiben, auch wenn keine Arbeit zu erledigen ist und bereits relativ klar ist, dass kein Gehalt mehr bezahlt werden kann. Dies hätte eine fristlose Kündigung zur Folge, die mit Sicherheit nicht im Sinne des Beschäftigten sein kann.
  • Freistellungen durch den Betrieb sind möglich; Arbeitnehmer haben sich jedoch zur Verfügung zu halten. Freistellungen sind kein Erholungsurlaub, sondern dem Arbeitgeber zustehende, von diesem vergütete Zeit. Wird die Freistellung allerdings nicht bezahlt, kann der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld beantragen. Dann ist er zwar nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, sondern der Agentur für Arbeit.
  • Wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt, wird dieser zum Arbeitgeber; alle arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rechte und Pflichten gehen auf ihn über. Wird vom Gericht die Eigenverwaltung durch die bisherige oder eine neu eingesetzte Geschäftsführung angeordnet, bleibt der Status Quo erhalten, die Rechtssituation ist jedoch die eines Unternehmens in Insolvenz. Das Gericht setzt dabei einen Kontrolleur ein, der Sachwalter genannt wird.
  • Kündigungen haben auch im Insolvenzfall innerhalb der gesetzlichen, vertraglichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfristen zu erfolgen. Wird die Frist seitens des Mitarbeiters nicht eingehalten, entsteht ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Im Insolvenzfall ist dieser durch den Insolvenzverwalter zwingend einzuklagen, da es sich um die Insolvenzmasse mehrende Forderungen gegen Dritte handelt. Der Insolvenzverwalter haftet grundsätzlich persönlich den Gläubigern des Unternehmens dafür, dass er jede Möglichkeit nutzt, an Geld zu kommen.
  • Vor dem Insolvenzantrag angefallene, aber nicht mehr überwiesene Gehälter sowie nach Insolvenzeröffnung erlangte Vergütungsansprüche gehören zur Insolvenzmasse. Das gilt auch für Arbeitszeitguthaben, Abfindungen, Abgeltungsansprüche, Boni und Sonderzahlungen. Ist die Insolvenzmasse nicht ausreichend, um diese Ansprüche zu bedienen, sind sie für die Beschäftigten verloren. Fehlt das Geld, auch während der Insolvenz Löhne zu bezahlen, sind – stets fristgerechte – Entlassungen die Folge.
  • Das drei Monate gewährte Insolvenzgeld ist vom Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach Insolvenzeröffnung zu beantragen. Der Insolvenzverwalter kann sich um ein Massedarlehen bei der Bank bemühen, damit das Insolvenzgeld vorfinanziert werden kann. Die Mitarbeiter treten dabei ihre Forderungen ab, was für beide Parteien eine praktikable und sichere Lösung darstellt.
  • Stellt der Insolvenzverwalter oder Geschäftsführer in Eigenverwaltung einen Sozialplan auf, gelten dafür besondere Regelungen. Darüber detailliert Auskunft zu erteilen gehört zu seinen gesetzlichen Pflichten.