Keine Zeiterfassung, keine Argumente

Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Az.: 4 SLa 52/24) sollte ein Weckruf für Arbeitgeber sein: Wer die Arbeitszeit seiner Beschäftigten nicht ordentlich erfasst, verliert im Überstundenprozess schnell die Kontrolle und damit den Prozess.

Eine Lageristin verlangte Überstundenvergütung in erheblicher Höhe und trug detailliert vor, wann und in welchem Umfang sie über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet hatte. Der Arbeitgeber hatte seinerseits keine verlässliche Arbeitszeiterfassung und konnte den Vortrag der Arbeitnehmerin nur pauschal bestreiten.

Das Urteil fiel, wie zu erwarten, zu Gunsten der Arbeitnehmerin aus. Das Gericht verwies auf die Pflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung an, die aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG und der aktuellen Rechtsprechung abgeleistet werden muss. Arbeitszeiterfassung ist demnach nicht mehr eine reine Organisationsfrage, sondern Teil des betrieblichen Arbeitsschutzkonzepts.

Arbeitszeiterfassung ist Pflicht

Klassisch muss der Arbeitnehmer für Überstundenvergütung darlegen und beweisen,

  1. an welchen Tagen
  2. er wie lange
  3. auf Anordnung oder mit Billigung des Arbeitgebers gearbeitet hat.

In der Praxis wird diese Dokumentation vor allem in kleineren Betrieben selten durch eine Zeiterfassungsanlage erfolgen. Das LAG Niedersachsen zeigte allerdings einmal mehr, dass „wer schreibt, gewinnt“. Wenn ein Unternehmen also keine oder nur lückenhafte Aufzeichnungen führt, läuft es Gefahr, dass dem Arbeitnehmer geglaubt wird, der seine Überstunden für sich dokumentiert hat — und sei es mittels Zettel und Stift. Das ist zwar keine automatische Beweislastumkehr, faktisch verschiebt sich die Glaubhaftigkeit im Prozess aber deutlich zu Lasten des Arbeitgebers.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Es braucht ein verlässliches System der Arbeitszeiterfassung; ob digital oder papiergebunden, Hauptsache vollständig, zeitnah und manipulationssicher.
  • Vorgesetzte müssen geschult werden, Überstunden nicht einfach zu dulden, sondern klar zu steuern, zu dokumentieren oder zu untersagen.
  • Überstundenanträge, Genehmigungen und Dienstpläne sollten so dokumentiert werden, dass im Streitfall nachvollzogen werden kann, wann Mehrarbeit tatsächlich angefallen ist.

Der Beschluss des LAG Niedersachsen ist deshalb weit mehr als ein Einzelfall. Er markiert die Richtung, in die sich Rechtsprechung und Praxis bewegen: weg von Vertrauen ohne Dokumentation, hin zu einer Kultur der strukturierten Arbeitszeiterfassung.

Recht kurzweilig
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