Bei der Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen von Eltern kleiner Kinder ist generell dem Kindeswohl der Vorzug zu geben. Dabei gibt es einige gesetzliche und mehrere ungeschriebene Regeln, aber auch eine umfassende Rechtsprechung zum Thema.
Rufen Erzieher oder Lehrer von Kindergartenkindern oder Grundschülern bei einem Elternteil an und bitten darum, das erkrankte Kind abzuholen, ist zunächst die Frage zu klären, ob ein anderer im Haushalt lebender Erwachsener dies übernehmen kann. Wenn nicht, darf der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verlassen, muss aber den Vorgesetzten vorher darüber informieren. Die elterliche Fürsorgepflicht hat somit Vorrang.
§45 des Fünftes Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB V), der die Zahlung von Krankengeld regelt, zieht dabei die Grenze bei Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Auch behinderte und auf Hilfe angewiesene Kinder werden hiervon erfasst. Doch auch §275 Absatz 3 in Verbindung mit §616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist einschlägig. Darin wird die „vorübergehende Verhinderung“ thematisiert, die Arbeitnehmern das Recht einräumt, sich bei Lohnfortzahlung von der Arbeit freistellen zu lassen. Von einer Altersbegrenzung ist da nicht die Rede.
§45 SGB V legt fest, wie lange der Arbeitgeber Eltern erkrankter Kinder unbezahlt freistellen muss. Voraussetzung ist, dass das Kind jünger als zwölf Jahre ist und ein Attest vom Kinderarzt vorliegt. Bei verheirateten Paaren besteht für jedes Elternteil pro Kind ein Anspruch auf jährlich zehn Kinderkrankentage. Bei mehr als zwei Kindern ist der Anspruch auf 25 Tage im Jahr für jedes Elternteil begrenzt. Alleinerziehenden stehen 20 Tage für jedes Kind zu; bei mehr als zwei Kindern liegt die Obergrenze bei 50 Tagen. Ist ein Kind unheilbar krank, haben Arbeitnehmer unbegrenzt Anspruch auf unbezahlten Urlaub. Sind beide Arbeitgeber einverstanden, kann man den eigenen Anspruch auch an seinen Ehepartner übertragen. Das geht aber nur, wenn beide Arbeitgeber dieser Übertragung zustimmen.
Wechselt man erneut zum BGB, heißt es in § 616 wenig erhellend: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ Auf konkrete Ansprüche oder gar eine Lohnfortzahlung ist daraus nicht zu schließen, mehr noch, diese Regelung kann arbeitsvertraglich sogar ausgeschlossen werden. Selbstverständlich darf auch dann der Mitarbeiter bei seinem kranken Kind zu Hause bleiben, nur eben ohne Arbeitsentgelt. Das übernimmt bei gesetzlich Krankenversicherten dann die Krankenkasse in Form des Krankengeldes – in der Regel sind das zwischen 70 und 90 Prozent des Nettoverdienstes. Privatversicherte müssen eine entsprechende Zusatzversicherung abschließen.
In der Praxis wird entsprechend das SGB ausgelegt, der Tarifvertrag herangezogen, eine Betriebsvereinbarung erstellt oder die Regelung im individuellen Arbeitsvertrag aufgenommen.