Wenn der Arbeitnehmer die Kündigungsfrist missachtet

Vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats. Das ist gemäß § 622 Abs. 1 BGB die mindestens einzuhaltende gesetzliche Frist für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Abweichungen können sich aus dem Gesetz ergeben (etwa bei längeren Arbeitsverhältnissen) oder aus dem Tarifvertrag sowie individuell vereinbart werden. So stehen in Arbeitsverträgen von Experten oder Führungskräften nicht selten Kündigungsfristen von sechs Wochen zum Quartalsende. Eine lange Zeit, wenn man als Arbeitnehmer ein attraktives Jobangebot vorliegen hat und der neue Arbeitgeber möchte, dass man die Tätigkeit so früh wie möglich antritt. Grundsätzlich aber gilt, dass Kündigungsfristen von beiden Seiten einzuhalten sind, sofern nicht eine Einigung in Form eines Aufhebungsvertrages erzielt wird. Dieser ist, wie auch die Kündigung, schriftlich zu formulieren.

Plötzlich wird jeder Arbeitstag wichtig

An dieser Stelle kollidieren der Wunsch eines Mitarbeiters nach vor­zei­tigem Aus­scheiden mit dem des Unternehmens, adäquaten Ersatz für den aus­schei­dende Arbeit­nehmer zu finden. Je höher die Qualifikation, je umfangreicher die Erfahrung und je spezieller die Kenntnisse, desto schwieriger wird die Suche und je länger dauert sie. Das Ringen um jeden Arbeitstag beginnt also mit dem Moment, an dem die Kündigung ausgesprochen wird. Urlaubsansprüche wollen von diesem genommen und von jenem finanziell abgegolten werden, die neue Stelle will nicht erst in mehreren Wochen, sondern bereits zum nächsten Ersten angetreten werden. Ein Kollege muss zumindest übergangsweise eingearbeitet, Know-how im Betrieb übertragen, ein Auftrag fertig abgewickelt und der Kunde übergeben werden.

Was für das Unternehmen unter Umständen existenziell ist, stellt für den bald ehemaligen Mitarbeiter nur noch ein Hindernis auf seinem Weg in eine neue Karriere dar. Eigentlich möchte er nur noch ein paar Tage Urlaub, um Erholung zu gewinnen und Abstand zu schaffen. Dieses menschlich durchaus nachvollziehbare Bedürfnis mit Macht durchsetzen zu versuchen, endet nicht selten im Streit.

Kündigende kann man nicht aufhalten

Arbeitnehmer werden an dieser Stelle nicht selten kreativ. Manche bleiben dem Arbeitsplatz einfach fern und sehen der folgenden außerordentlichen und fristlosen Kündigung aufgrund der Verletzung der Hauptleistungspflicht jedes Arbeitnehmers gelassen entgegen. Damit haben sie ihr Ziel erreicht, riskieren aber ein deutlich schlechter ausfallendes Arbeitszeugnis. Die häufiger gewählte Alternative ist der Gang zum Arzt. Der “gelbe Zettel” soll dann die ultima ratio darstellen, um dem Betrieb sofort den Rücken zu kehren und ein paar freie Tage plus etwaiger Urlaubsabgeltung mitzunehmen. Den Nachweis, dass die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht ist, wird in den wenigsten Fällen mit geringem Aufwand gelingen. Auch hier steht dann lediglich die außerordentliche Kündigung an; die Arbeitskraft fehlt auch weiterhin.

Eine Frage, die sich Wechselwillige mit grundlegenden Kenntnissen in arbeitsrechtlichen Aspekten stellen, ist, ob eine außer­or­dent­li­che Kün­di­gung dem Problem abhelfen könnte. Dazu jedoch bedarf es eines wichtigen Grundes (§ 626 Abs. 1 BGB). Gravierende Pflichtverletzungen des Arbeitgebers, nach denen eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, sind in der Praxis jedoch nur selten gegeben. Fällt der Versuch einer entsprechenden Argumentation mit der (gewünschten) Aufnahme einer neuen Tätigkeit zusammen, wird sie regelmäßig misslingen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Es gibt erkennbar für Arbeitgeber kaum eine Möglichkeit, Kündigende aufzuhalten. Aber können womöglich Schäden geltend gemacht werden, die Arbeitnehmer verursachen, die einfach nicht mehr zur Arbeit erscheinen?

Konkreter Schaden muss nachgewiesen werden

Grundsätzlich gilt auch bei Arbeitsverhältnissen das Schadensersatzrecht des BGB. Das bedeutet aber auch, dass Schäden konkret nachgewiesen und beziffert werden müssen und ein objektiv unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem widerrechtlichen Verlassen des Arbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer bestehen muss. Diese Beweise beizubringen ist im Arbeitsrecht schwierig bis unmöglich. In der Regel gibt es andere Mitarbeiter, die einspringen können. Sollten diese Überstunden leisten müssen, könnte dies als Schaden gelten, wobei dieser höher sein müsste als die Entlohnung desjenigen, der die Arbeit verweigert und entsprechend dem Grundsatz “keine Arbeit, kein Lohn” nicht bezahlt wird.

Zuletzt könnten Arbeitgeber in Versuchung geraten einzuklagen, was ihnen zusteht. Das kennen Unternehmer aus dem Wirtschaftsrecht, wo auf Leistung die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen ist, andernfalls kann diese mittels eines Mahnverfahrens und der folgenden Zwangsvollstreckung gerichtlich geltend gemacht werden. Doch die Durchsetzung einer Arbeits­- oder Dienstpflicht ist gesetzlich ausgeschlossen, wie § 888 Abs. 3 ZPO verdeutlicht.

Auch die Vertragsstrafe ist keine echte Lösung

So bleibt nur die, vom Bundesarbeitsgericht abgesegnete, arbeitsvertragliche Ver­ein­ba­rung einer Ver­trags­strafe, die bei Nichtein­hal­tung der Kün­di­gungs­frist fällig wird. Dieses Vorgehen dürfte allerdings den höheren Vergütungsklassen vorbehalten sein und ist, im Vergleich zur Konkurrenzklausel, eher unüblich. Zudem greift bei derartigen Klauseln die AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB, die einseitig vorteilhafte Vertragsbestandteile untersagt. Es ist entsprechend auf eine klare und transparente Formulierung zu achten, aber auch die Höhe der Vertragsstrafe abzuwägen. Sie darf nicht zu einem “Gewinn” des Arbeitgebers führen. Als Basis können die Kündigungsfrist und das während dieser Zeit zu bezahlende Entgelt dienen.

Damit wird dem künftig ehemaligen Mitarbeiter wenigstens eine – wenngleich relativ geringe – Strafe angedroht, sollte er erwägen, seinen Job einfach hinwerfen zu wollen. Ob das allerdings zu erwünschten Ziel führt, oder ob Arbeitgeber nicht besser beraten sind, ihre Zeit und Energie in die Personalsuche zu investieren, bleibt dahingestellt.