Die unbezahlte Freistellung von Arbeitnehmenden stellt ein komplexes arbeitsrechtliches Thema dar, bei dem verschiedene gesetzliche Bestimmungen, vertragliche Regelungen und Ausnahmetatbestände zu beachten sind. Die Rechtslage zeigt deutliche Unterschiede zwischen allgemeinen Grundsätzen und spezifischen Anspruchsgrundlagen.
Rechtliche Grundlagen der Freistellung
Definition und Abgrenzung
Bei einer unbezahlten Freistellung verzichtet der Arbeitgeber ausdrücklich auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ohne dass eine Vergütung erfolgt. Dies unterscheidet sie grundlegend von der bezahlten Freistellung, bei der eine vertragliche oder gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Lohnfortzahlung erforderlich ist. Während der unbezahlten Freistellung ruht das Arbeitsverhältnis, besteht aber rechtlich fort. Die Hauptleistungspflichten beider Parteien entfallen, während Nebenpflichten wie das Wettbewerbsverbot und die Fürsorgepflicht bestehen bleiben.
Grundsatz: Kein allgemeiner Anspruch
Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf unbezahlte Freistellung. Mit dem Arbeitsvertrag verpflichten sich Beschäftigte zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung. Daher kann grundsätzlich nicht verlangt werden, von der persönlichen Arbeitspflicht entbunden zu werden. Die Gewährung unbezahlten Urlaubs liegt im Ermessen des Arbeitgebers und erfolgt nur im Einvernehmen. Arbeitgeber können eine solche Freistellung auch aus betrieblichen Gründen wie Personalmangel oder wichtigen termingebundenen Projekten ablehnen.
Ausnahmen und Anspruchsgrundlagen
Vertragliche Regelungen
Tarifverträge, Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen können Ansprüche auf unbezahlte Freistellung vorsehen. Diese Vereinbarungen regeln typischerweise auch die Voraussetzungen und den maximalen Zeitraum. Selbst bei vertraglichen Regelungen benötigt der Arbeitnehmer jedoch die Zustimmung des Arbeitgebers.
Fürsorgepflicht und Notlagen
Der Arbeitgeber muss unbezahlte Freistellung aufgrund seiner Fürsorgepflicht gewähren, wenn sich der Arbeitnehmende in einer unverschuldeten Notsituation befindet. Dies gilt beispielsweise bei plötzlicher Erkrankung eines Familienmitglieds, Hausbrand oder Überschwemmung. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Verschulden trägt dabei der Arbeitgeber.
Betriebliche Übung
Ein Anspruch kann sich aus betrieblicher Übung ergeben, wenn der Arbeitgeber in vergleichbaren Fällen wiederholt unbezahlte Freistellung gewährt hat. Nicht jedes Entgegenkommen führt jedoch zur betrieblichen Übung.
Gesetzliche Ansprüche auf unbezahlte Freistellung
Pflegezeit und Angehörigenpflege
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) gewährt verschiedene Ansprüche: Beschäftigte haben bei akut auftretenden Pflegesituationen das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um die Pflege zu organisieren. Für die häusliche Pflege naher Angehöriger können Arbeitgeber Beschäftigte bis zu sechs Monate vollständig oder teilweise freistellen, sofern das Unternehmen mindestens 15 Beschäftigte hat. Diese Freistellung ist unbezahlt, jedoch besteht die Möglichkeit eines zinslosen Bundesdarlehens.
Kinderbetreuung
Nach § 45 SGB V haben Eltern Anspruch auf unbezahlte Freistellung zur Betreuung kranker Kinder unter zwölf Jahren. Der Anspruch beträgt bis zu zehn Arbeitstage pro Jahr und Kind, bei Alleinerziehenden bis zu 20 Tage. Bei mehreren Kindern erhöht sich der Anspruch auf maximal 25 Tage, bei Alleinerziehenden auf 50 Tage. Für unheilbar kranke Kinder im Endstadium sieht das Gesetz keine zeitliche Begrenzung vor.
Assistenz im Krankenhaus
Seit 2022 besteht nach § 44b SGB V ein gesetzlicher Anspruch auf Freistellung als Begleitperson für Menschen mit Behinderung während stationärer Krankenhausaufenthalte. Arbeitgeber müssen Beschäftigte hierfür freistellen, wenn die entsprechenden medizinischen Voraussetzungen vorliegen.
Weiterbildung und Sabbatical
Für Weiterbildungsmaßnahmen, deren zeitlicher Umfang eine Durchführung neben der Beschäftigung nicht zulässt, können Arbeitgeber und Arbeitnehmende einvernehmlich eine unbezahlte Freistellung vereinbaren. Dies erfolgt unabhängig von gesetzlichen Bildungsurlaubsregelungen.
Auswirkungen auf die Sozialversicherung
Versicherungsschutz und Meldefrist
Die Versicherungspflicht in den Sozialversicherungszweigen setzt grundsätzlich eine entgeltliche Beschäftigung voraus. Bei unbezahlter Freistellung bleibt der Versicherungsschutz in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für den ersten Monat bestehen. Dauert die Freistellung länger, endet die entgeltliche Beschäftigung nach einem Monat und eine Abmeldung zur Sozialversicherung ist erforderlich. Nach Ende der unbezahlten Freistellung muss eine erneute Anmeldung erfolgen.
Krankenversicherung nach einem Monat
Nach Ablauf des ersten Monats ohne Beiträge endet die Pflichtversicherung durch die Beschäftigung. Besteht keine Familienversicherung oder anderweitiger Krankenversicherungsschutz, tritt die obligatorische Anschlussversicherung in Kraft, um einen plötzlichen Verlust des Krankenversicherungsschutzes zu verhindern.
Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch
Rechtsprechungsänderung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung grundlegend geändert und entschieden, dass für die Dauer eines unbezahlten Sonderurlaubs kein Erholungsurlaub entsteht. Die durch das Bundesurlaubsgesetz bezweckte Unterbrechung der Arbeitspflicht entbehrt durch die Freistellung einer Grundlage. Der Zeitraum des Sonderurlaubs ist bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mit null Arbeitstagen anzusetzen.
Europarechtliche Grundlagen
Diese Rechtsprechung orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach Urlaubsansprüche grundsätzlich nur für Zeiträume erworben werden, in denen tatsächlich gearbeitet wurde. Die Situation ist vergleichbar mit der Altersteilzeit im Blockmodell, für die das BAG bereits ähnlich entschieden hatte.
Praktische Regelungen und Besonderheiten
Entgeltberechnung bei kurzer Freistellung
Dauert die unbezahlte Freistellung weniger als einen Monat, ist das Entgelt anteilig zu kürzen. Das Monatsentgelt wird durch die Anzahl der Arbeitstage geteilt und mit den tatsächlich gearbeiteten Tagen multipliziert. Auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung muss unbezahlter Urlaub von mindestens fünf zusammenhängenden Arbeitstagen durch den Großbuchstaben „U“ vermerkt werden.
Elternzeit und Anschlussregelungen
Die Elternzeit nach § 15 BEEG stellt eine spezielle Form der unbezahlten Freistellung dar, die bis zu 36 Monate dauern kann. Nach Ende der Elternzeit können Arbeitnehmende grundsätzlich einvernehmlich weitere unbezahlte Freistellung mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Dabei gelten besondere Voraussetzungen für die Sozialversicherung, da die Mitgliedschaft für einen Monat auch im Anschluss an beitragsfreie Zeiten wie der Elternzeit erhalten bleibt.
Kündigung während unbezahlter Freistellung
Während der unbezahlten Freistellung besteht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Eine Kündigung ist sowohl ordentlich als auch außerordentlich möglich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Der Kündigungsschutz bleibt grundsätzlich bestehen.
Die Rechtslage zur unbezahlten Freistellung zeigt deutlich, dass trotz des fehlenden allgemeinen Anspruchs verschiedene spezifische Situationen gesetzlich geregelt sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die komplexen Auswirkungen auf Sozialversicherung und Urlaubsanspruch sorgfältig prüfen und entsprechende Vereinbarungen schriftlich dokumentieren.