Was passiert eigentlich mit dem Arbeitsverhältnis, wenn ein Arbeitnehmer in Untersuchungshaft oder Strafhaft gerät? Das deutsche Arbeitsrecht kennt für diese Situationen klare Regeln und unterscheidet dabei genau, ob der Freiheitsentzug vorübergehend, unverschuldet oder auf einer Verurteilung beruht.
Der Grundsatz lässt keine Zweifel zu: Wer nicht arbeitet, bekommt auch keinen Lohn. Sitzt ein Arbeitnehmer in Haft, kann er seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Damit entfällt grundsätzlich die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung. Die Zeit in Haft kann als unbezahlter Urlaub oder als unbezahlte Freistellung behandelt werden.
Untersuchungshaft
In Untersuchungshaft ist die Situation noch unklar, immerhin steht eine Verurteilung meist nicht fest. Ob der Arbeitgeber weiterzahlen muss, hängt davon ab, ob die Inhaftierung verschuldet ist:
- Bei unverschuldeter Untersuchungshaft kann nach § 616 BGB ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bestehen, wenn der Arbeitnehmer nichts für die Haft kann und die Abwesenheit nur kurz andauert.
- Selbstverschuldete Untersuchungshaft führt dagegen regelmäßig dazu, dass der Arbeitgeber die Zahlung einstellt.
Eine Untersuchungshaft allein ist jedoch kein automatischer Kündigungsgrund. Erst wenn die Haftdauer erheblich ist und das Ende ungewiss bleibt (etwa ab sechs Monate) kann eine ordentliche Kündigung zulässig sein.
Haftstrafe
Wird ein Arbeitnehmer rechtskräftig verurteilt, kommt es auf die Art der Straftat an.
- Personenbedingte Kündigung: Hat die Straftat keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis, kann der Arbeitgeber kündigen, wenn die Haftdauer eine Rückkehr in absehbarer Zeit ausschließt. Bei Strafen über zwei Jahren gilt meist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist.
- Verhaltensbedingte Kündigung: Begeht der Arbeitnehmer eine Straftat gegen den Arbeitgeber oder im direkten Zusammenhang mit der Arbeit – etwa Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung – liegt ein schweres Fehlverhalten vor. Hier ist regelmäßig auch eine fristlose Kündigung möglich, vor allem wenn das Vertrauensverhältnis zerstört ist.
Pflichten und Abwägungen
Dauert die Inhaftierung länger als einen Monat, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus der Sozialversicherung abmelden. Während der Haft ruht der Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherungsleistungen, stattdessen übernimmt die Justizvollzugsanstalt die Gesundheitsversorgung. Zudem sollte der Arbeitgeber prüfen, ob sich Arbeitsmittel des Unternehmens noch im Besitz des Inhaftierten befinden, und deren Rückgabe vorzugsweise schriftlich mit Fristsetzung fordern.
Arbeitnehmer haben die Pflicht, ihren Arbeitgeber umgehend über eine Inhaftierung und deren voraussichtliche Dauer zu informieren. Unterlassen sie das, kann auch das ein Kündigungsgrund sein.
Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber abwägen, etwa Dauer der Betriebszugehörigkeit, bisheriges Verhalten und betriebliche Auswirkungen der Abwesenheit. Eine längere Haft kann zwar zur Kündigung berechtigen, doch bleibt letztlich jeder Fall eine Einzelentscheidung.
Kein automatisches Vertragsende
Eine Haft stellt also nicht automatisch das Ende eines Arbeitsverhältnisses dar, es muss, falls gewünscht, eine Kündigung ausgesprochen werden. Eine solche Ausnahmesituation bedeutet aber oft den Beginn schwieriger rechtlicher Abwägungen, vor allem bei geschätzten Mitarbeitern. Während eine kurzfristige, unverschuldete Untersuchungshaft meist noch überbrückt werden kann, führen längere oder verschuldete Freiheitsstrafen in der Regel allein aus betrieblichen Gründen zur Entscheidung, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Maßgeblich bleiben dabei stets die individuellen Umstände.