Der Beschluss des LAG Schleswig-Holstein (Az.: 2 Sa 67/25) wirft ein Schlaglicht auf eine heikle Schnittstelle zwischen Zivil- und Strafrecht: Was passiert, wenn zivilrechtliche Auskunfts- und Vorlagepflichten dazu führen könnten, dass sich jemand im laufenden Strafverfahren selbst belastet? Das Gericht legte sich fest.
Auskunftspflicht versus Selbstbelastung
Im konkreten Fall hatte ein ehemaliger Mitarbeiter versucht, die Zwangsvollstreckung eines arbeitsgerichtlichen Urteils zu stoppen, das ihn zur Auskunft und Zahlung verpflichtete. Die geforderten Angaben, so argumentierte er, könnten ihn im parallel laufenden Strafverfahren wegen Untreue und Bestechlichkeit selbst belasten. Das LAG Schleswig-Holstein ließ das nicht gelten und erklärte, dass die Gefahr der Selbstbelastung im Zivilprozess regelmäßig kein Recht gebe, die Auskunft zu verweigern. Die Auskunftspflicht wiege so schwer, dass das Zeugnisverweigerungsrecht ins Leere laufe – und das, obwohl es doch eigentlich zu den Grundpfeilern rechtsstaatlichen Strafverfahrens zählt.
Fragezeichen hinter dem Prozessualrecht
Darf das wirklich sein? Muss ein Betroffener zwischen „Pest und Cholera“ wählen, also entweder im Zivilprozess Ansprüche des Gegners zu vereiteln oder sich strafrechtlich „ans Messer“ zu liefern? Das Urteil folgt zwar der Linie anderer arbeitsrechtlicher Entscheidungen, wirft aber grundlegende Fragen auf: Was ist der Wert des Zeugnisverweigerungsrechts, wenn es ausgerechnet dort, wo die größten Gefahren für den Einzelnen lauern, keine praktische Wirkung entfaltet?
Das Zeugnisverweigerungsrecht
Das Zeugnisverweigerungsrecht schützt Zeugen davor, zu einer Aussage gezwungen zu werden, wenn sie sich selbst oder nahe Angehörige einer Straftat bezichtigen müssten. Im Strafprozess wird dieses Recht als elementarer Ausfluss des Grundsatzes „nemo tenetur se ipsum accusare“ verstanden – niemand muss sich selbst belasten. Im Zivilprozess existieren jedoch zum Teil deutlich weiterreichende Wahrheitspflichten, die dieses Schutzrecht beschneiden können. Mit der Folge, dass wer seiner Auskunfts- oder Wahrheitspflicht im Zivilprozess nicht nachkommt, Nachteile bis hin zur Zwangsvollstreckung riskiert.
Schutz oder kein Schutz? Und wenn ja, für wen?
Man muss sich durchaus fragen, ob das Zeugnisverweigerungsrecht bei einer solchen Ausweitung arbeits- und zivilprozessualer Wahrheitspflichten am Ende nicht zur bloßen Fassade verkommt. Das Urteil mahnt: Die Kollision von Strafverfolgung und Zwangsvollstreckung ist kein akademisches Randproblem, sondern reale Gefahr für jeden, der im Beruf zwischen juristische Fronten gerät.