Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte in einem Urteil (Az.: U59/22) seine Auffassung, dass die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung der positiven Fortführungsprognose bei Start-ups nicht uneingeschränkt gelten. Die Insolvenzordnung unterscheidet drei Insolvenzgründe für juristische Personen:
1. Zahlungsunfähigkeit
2. drohende Zahlungsunfähigkeit und
3. Überschuldung.
Eine Gesellschaft gilt als überschuldet, wenn ihr Vermögen ihre Verbindlichkeiten nicht deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist wahrscheinlich. Die Beurteilung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird geprüft, ob eine rechnerische Überschuldung besteht, und dann, ob eine positive Fortführungsprognose vorliegt.
Prognose ist stets Einzelfallbeurteilung
Diese beruht auf dem Fortführungswillen des Schuldners und der Überlebensfähigkeit des Unternehmens für die nächsten 12 Monate. Dabei müssen finanzielle Mittel vorhanden sein, um die Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Das OLG entschied, dass die positive Fortführungsprognose bei Start-ups nicht allein auf deren Selbstfinanzierungskraft basieren muss.
Die Situation des in der Entscheidung behandelten Unternehmens ist exemplarisch: Im zweiten Jahr seines Bestehens wies es bei einem Umsatz von 12.000 Euro Schulden von über 600.000 Euro auf. Diese Diskrepanz verdeutlicht, dass Start-ups oft von Investoren finanziert werden, die auf zukünftige Renditen spekulieren. Müssten sie von Beginn an selbstfinanzierungsfähig sein, würden viele innovative Geschäftsideen scheitern, bevor sie überhaupt starten könnten.
Das Gericht betonte, dass für die Beurteilung der positiven Fortführungsprognose nicht nur die aktuelle Ertragskraft relevant ist. Entscheidend ist vielmehr, dass eine realistische Ertrags- und Finanzplanung vorgewiesen werden kann und Dritte, etwa Investoren oder Fremdkapitalgeber, die Finanzierung für die nächsten 12 Monate zusichern.
Planung sollte nachgewiesen werden
Im vorliegenden Fall konnte der beklagte Geschäftsführer jedoch nicht nachweisen, dass monatliche Finanzpläne erstellt und mit dem Investor abgestimmt wurden. Zudem wurde deutlich, dass der Investor die Finanzierung nicht von den Plänen des Geschäftsführers, sondern von den Plänen des Gründers abhängig machte.
Die Entscheidung der Düsseldorfer Richter verdeutlicht, dass Start-ups nicht schon als insolvent gelten, wenn sie rechnerisch überschuldet und nicht selbstfinanzierungsfähig sind. Solange eine realistische Planung vorliegt und die Finanzierung durch Dritte gesichert ist, kann von einer positiven Fortführungsprognose ausgegangen werden.