Am 17. Dezember 2020 hat der Bundestag die längst überfällige Reform des Insolvenzrechts auf den Weg gebracht. Damit wird nicht nur die EU-Richtlinie 2019/1023 vom 20.6.2019 umgesetzt, sondern auch ein Rahmen für angeschlagene Unternehmen geschaffen, sich außergerichtlich und in Eigenverantwortung selbst zu sanieren, bevor ein formelles Insolvenzverfahren eröffnet werden muss. Dies ermöglicht das neu geschaffene „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (StaRUG).
Der Weg wird frei für Verhandlungen
Die ab Februar 2021 geltende Reform besteht darin, dass bislang bei drohender Zahlungsunfähigkeit eine dreiwöchige Insolvenzantragsfrist galt, innerhalb derer alle Gläubiger einem Sanierungsversuch zustimmen mussten. Damit stand nicht nur der Geschäftsführer oder Inhaber des betroffenen Unternehmens unter Druck, auch diejenigen, die auf ihr Geld warteten, mussten sich umgehend entscheiden, welches Risiko sie bereit und in der Lage sind zu tragen. Letztlich ist auch für Gläubiger eine Rechtssicherheit gegenüber ihren eigenen Gläubigern entscheidend für das weitere Vorgehen. Die Insolvenz des Einen führt nicht selten zu einer Krise eines Anderen. Zu vermeiden ist das nicht, doch es ist möglich, für mehr Transparenz und Zeitgewinn zu sorgen. Das hat der Gesetzgeber mit dem neuen Insolvenzrecht im Sinn.
Der Restrukturierungsrahmen sieht nun vor, dass eine Eigenverwaltung möglich ist, wenn sich diejenigen Gläubiger einverstanden erklären, die drei Viertel der Schuldsumme auf sich vereinen. Damit muss in der Regel nur noch mit Großgläubigern verhandelt werden, die anderen bleiben unberücksichtigt. Weiterhin wichtig bleibt dennoch, alle Gläubigerinteressen zu wahren. Voraussetzung für eine außergerichtliche Insvolvenzverwaltung ist auch nach der Reform die umgehende und umfassende Information aller betroffenen Geschäftspartner, wenn sich die Zahlungsunfähigkeit abzeichnet. Die Insolvenzverschleppung bleibt weiterhin eine Straftat. Darüber hinaus sind auch in Zukunft Gruppen zu erstellen, aus denen die Rechtsstellung der Gläubiger zu erkennen ist und ob sie einem Sanierungsplan zustimmen müssen.
Das Gericht kann eingreifen, muss aber nicht
Der nächste Weg bleibt auf in Zukunft der zum Gericht, wo die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens erfolgen muss. Bei der Ausgestaltung ist die Geschäftsführung weitgehend frei. Es dürfen also sehr flexibel Maßnahmen eingeleitet werden, die individuell mit den entsprechenden Gläubigern abgestimmt werden können. Von der Überlassung von Anteilen bis hin zur Anpassung von Verträgen ist dabei alles möglich, was das überschuldete Unternehmen und seine Gläubiger für sinnvoll erachten. Das Gericht kann dabei helfen, Vollstreckungsmaßnahmen bis zu drei Monate auszusetzen – mit zwei Ausnahmen: Entgeltansprüche von Arbeitnehmern und die betriebliche Altersvorsorge sind tabu.
Stimmen alle Gläubiger dem Restrukturierungsplan zu, kann er vollständig in Eigenverantworung umgesetzt werden. Wenn die 75-prozentige Gläubigerkapitalmehrheit einverstanden ist, wird das Vorhaben dem Gericht vorgelegt, das es auch gegen die ablehnenden Gläubiger oder die 25-prozentige Minorität genehmigen kann. Der Richter entscheidet auch, ob in diesem Fall ein neutraler Restrukturierungsbeauftragter oder ein Gläubigerbeirat zur Überwachung der Maßnahmen eingesetzt werden muss.