Seit dem 1.8.2022 erlaubt das DiRUG Interessierten die Inhalte der Handels-, Genossenschafts-, Vereins- und Partnerschaftsregister abzurufen. Das ist anonym möglich, was bedeutet, für den Abruf von Daten ist nun keine Registrierung oder Anmeldung mehr notwendig, und auch Kosten entstehen entstehen nicht mehr. Auch die IP-Adresse ist nicht mehr nachvollziehbar, wenn Abfragende diese verbergen. Die durchaus wünschenswerte und frei zugängliche Öffentlichkeit der Register sorgt jedoch nicht nur für Engpässe bei den häufig überlasteten Servern, sondern auch für Unsicherheiten und sogar Ängste bei in den Registern namentlich Genannten.
Freier Abruf aller persönlichen Daten?
So hatte das Oberlandesgericht Celle den Fall eines GmbH-Geschäftsführers zu beurteilen, der beantragt hatte, Angaben zu seinem Geburtsdatum und seinem Wohnort aus dem Handelsregister zu entfernen. Diese Daten seien unter anderem im Melderegister gesperrt, weil er aufgrund seiner Tätigkeit als Fachmann für Sprengstoffe eine unmittelbare Gefahr für sein Leib und Leben befürchte. Konkret befürchte er, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, um in den Besitz von für Anschläge taugliches Material zu kommen.
Das zuständige Registergericht hatte den den Antrag abgelehnt und auf die verpflichtenden Vorgaben der Handelsregisterverordnung verwiesen. Die daraufhin eingereichte Beschwerde des Antragstellers, verbunden mit dem Kompromissvorschlag, sein Geburtsdatum und seinen Wohnort erst nach einer Interessenabwägung zwischen seinen Sicherheitsbedürfnissen und dem Wunsch eines Dritten nach Einsicht in seine Daten freizugeben, wies das Registergericht zurück. Das OLG Celle schloss sich dieser Absage an und begründete seine Abweisung der Klage damit, dass es bereits an einer Rechtsgrundlage für das Löschungsbegehren des Geschäftsführers fehle.
DSGVO kommt nicht zum Einsatz
Erster Prüfungspunkt war die DSGVO. Gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO stehe dem Antragsteller wegen der Verarbeitung personenbezogener Daten kein Widerspruchsrecht zu. In § 10a Abs. 3 HGB steht die juristische Basis dazu: Für im Handelsregister, in Registerbekanntmachungen oder in zum Handelsregister einzureichenden Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten findet die DSGVO keine Anwendung. Aus demselben Grund ist auch Art. 17 Abs. 1, Abs. 2 DSGVO nicht anwendbar. Diese Regelung wurde vom OLG schließlich verfassungs- und europarechtlich geprüft und für konform befunden. Im Hinblick auf Transparenz, Sicherheit und Verlässlichkeit sowie zur Leichtigkeit des Rechtsverkehrs stehe bei amtlichen Registern das öffentliche Interesse über dem des Individuums.
Eine objektive Gefährdung und das damit begründete Interesse des Antragstellers an einer Geheimhaltung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts sei, so das Gericht, weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem sei der Geschäftsführer über seine Unternehmensadresse leichter und schneller zu finden als über die Angabe seines Wohnorts ohne Angabe von Straße und Hausnummer im Handelsregister. Als Beispiel für deutlich weitergehende Angaben persönlicher Daten führt die Urteilsbegründung das Fahrzeugregister auf (vgl. § 33 StVG). Hier hatte der Kläger keine Löschung oder Einschränkung beantragt, wie er auch die Geheimhaltung seiner Betriebsstätte nicht aktiv betrieben habe.
Auch die nun geschaffene Möglichkeit zur kostenfreien und anonymen Einsichtnahme in das Handelsregister thematisierte das OLG. Daraus ergebe sich keine Höherbewertung des Interesses am Schutz persönlicher Daten. Eine Beschränkung der Rechte aus § 21 DSGVO durch § 10a Abs. 3 HGB bestehe nicht.
Keine juristische Prüfung beim Registergericht
Könnten Ansprüche auf Löschung oder Unterlassung aus den §§ 823, 839 BGB oder § 1004 BGB (analog) wegen Verfehlung datenschutzrechtlicher Vorgaben durch das DiRUG bestehen? Auch diese Frage beantwortete das Gericht zuungunsten des Klägers. Das Registerverfahren sehe eine derartige Prüfung nicht vor, denn dieses diene ausschließlich der formellen und korrekten Führung des Handelsregisters. Eine tiefergehende Beschäftigung mit grundsätzlichen und individuell datenschutzrechtlichen Problematiken könne rein aus praktischen Erwägungen heraus nicht erfolgen. Würde eine solche in Erwägung gezogen, wären die juristischen Folgen nicht absehbar und durch das Registerverfahren nicht lösbar (OLG Celle, Az.: 9 W 16/23; anhängig beim BGH, Az.: II ZB 7/23).
Die Frage, die vom OLG aufgrund fehlenden Klageinhalts nicht beantwortet wurde, bezieht sich auf dem Registereintrag angehängte (notarielle) Dokumente. Diesen sind oftmals weitergehende persönliche Daten zu entnehmen, die weit über die in dieser Klage angesprochenen liegen, insbesondere vollständige private Adressen, Unterschriften und Bankverbindungen.