Mietverträge in Zeiten von Corona

Läden und Showrooms schließen, Lagerflächen werden reduziert, Büros verwaisen. Corona zwingt viele Unternehmer zur Neuausrichtung bei Mietimmobilien oder gar zur Kündigung. Dabei allerdings stehen oft langfristige Verträge im Weg. Geht es um rein finanzielle Gründe, steht als nächstes die Frage im Raum, ob ein gewerblicher Mieter auch dann zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist, wenn er in der Nutzung des Objekts stark beeinträchtigt ist oder sie durch Landesverordnungen untersagt wird. Kommt womöglich eine Mietminderung in Betracht oder gar die fristlose Kündigung mit dem Argument der Störung der Geschäftsgrundlage? Wer trägt eigentlich das Risiko, ob Räume genutzt werden können oder dürfen: der Mieter oder der Vermieter?

Das Moratorium verschafft nur Zeit

Während der ersten Welle mit Lockdown hatte die Regierung ein Kündigungsmoratorium angeordnet. Dieses schützte einen Mieter vor der Kündigung durch den Vermieter, sollte er seiner Pflicht zur fristgerechten monatlichen Zahlung nicht nachkommen können. Zahlungspflicht und Fälligkeit der Miete blieb durch das Moratorium bestehen, die Miete muss also irgendwann überwiesen werden – eine klassische Stundung also. Der finanzielle Druck wurde dem Mieter damit nicht genommen, sondern in die Zukunft verlagert. 

Jetzt ist die zweite Welle da und die Problematik hat sich nicht nur verlagert, sondern verschärft. Da liegt die Diskussion nahe, nicht nur private Mieter, sondern auch gewerbliche stärker zu schützen. So ist nun nicht mehr nur eine Stundung, sondern die Störung der Geschäftsgrundlage mit den Folgen einer Anpassung der Miete an tatsächliche Gegebenheiten – hier an die einer Pandemie – oder sogar ein Rücktritt vom Mietvertrag Thema.

Bisher hatten die Gerichte Einzelfälle zu entscheiden, und sie taten dies uneinheitlich. Gegen Mietminderungen urteilten die Landgerichte Heidelberg (Az.: 5 O 66/20), Zweibrücken (HK O 17/20) Frankfurt (2-15 O 23/20) und Stuttgart (11 O 215/20). Lediglich die Landgerichte München I (Az. 3 O 4495/20) und Mönchengladbach (12 O 154/20) mochten die finanziellen Auswirkungen von Corona nicht dem Mieter allein aufbürden. Nun arbeitet der Gesetzgeber an Lösungsmodellen.

Wer trägt das Verwendungsrisiko an einer Mietsache?

Um die Miete kürzen oder die Zahlung einstellen zu dürfen, sind zwei Voraussetzungen denkbar:

Mängel an der Mietsache
Damit sind alle Einschränkungen gemeint, die mit der Mietsache in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Der Vermieter hat die Räume in dem im Vertrag vereinbarten Zustand zur angestrebten Nutzung zur Verfügung zu stellen und zu erhalten. Treten Mängel auf, die der Mieter nicht zu vertreten hat und die der Vermieter nicht kurzfristig beheben kann, ist der Mieter zur Kürzung der Zahlung berechtigt. In welcher Höhe entscheidet der Einzelfall beziehungsweise wurde bereits in vielen einschlägigen Urteilen festgeschrieben.

Beispiele hierfür können Wasserschäden oder ein Ausfall der Heizungsanlage sein. Eine Pandemie ist erkennbar nicht mit der Mietsache verknüpft, sondern den Menschen zuzuordnen, die die Räume nutzen. Auf dieses Argument stützten sich die Landgerichte, die in dem Mieter das volle Risiko zusprachen. 

Störung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage
Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags ist der Wille, den beide Parteien bei Vertragsschluss zwar nicht inhaltlich konkret bestimmt haben, ohne den der Vertrag jedoch nicht zustande gekommen wäre. Dieser Wille muss für den Geschäftpartner erkennbar gewesen und von diesem nicht beanstandet worden sein. Klar und für auch Außenstehende erkennbar muss sein, dass ein Vorhandensein oder der spätere Eintritt gewisser Umstände verhindert hätte, dass der Vertrag überhaupt oder in dieser Form geschlossen worden wäre. Beispielhaft wäre das Anmieten von Räumen für bestimmte Zwecke, die während der Vertragslaufzeit gesetzlich verboten werden.

Corona könnte theoretisch ein Grund sein, eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen – erste Gerichte tun das bereits. Dafür muss allerdings eine Unzumutbarkeit vorliegen, den Vertrag zu den bisherigen Bedingungen weiterzuführen. Um das annehmen zu können, müsste eine dauerhafte Existenzgefährdung vorliegen und keine nur vorübergehenden Umsatzeinbußen zu bewältigen sein. Die Pandemie, so die Gerichte, wird nicht von Dauer sein, so dass eine Stundung das Mittel der Wahl sei und das Vertragsverhältnis unverändert weitergeführt werden könne. Die Gerichte stellen sich also die Frage, ob der Vertrag ohne Corona oder mit der Aussicht, dass sich die Situation in einigen Wochen wieder normalisieren könnte, erneut so geschlossen würde.

Schwebende Rechtslage mit vielen offenen Fragen

Letztlich wird der Bundesgerichtshof zu entscheiden oder der Gesetzgeber die rechtlichen Problemstellungen abschließend zu klären haben. Dass nahezu jeder Sachverhalt einzeln zu betrachten sein wird, weil kaum ein Vertrag wie der andere zu beurteilen ist, liegt auf der Hand. Fakt ist derzeit: Bei Verhandlungen mit dem Vermieter lohnt es, die Rechtsprechung zu kennen und sich auf entsprechende Urteile zu berufen. Ein Rechtsanspruch auf Mietkürzung oder gar Beendigung des Mietverhältnisses dürfte in den wenigsten Fällen vorliegen.