RECHTSLEXIKON: Die EU-Whistleblower-Richtlinie

Vor einem Jahr wurde sie beschlossen, bis zum 17.12.2021 muss sie von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden: die Whistleblower-Richtlinie 2019/1937. Sie verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie Behörden und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern dazu, einfach zu erreichende Stellen einzurichten, bei denen Verstöße gegen nationales und EU-Recht gemeldet werden können. National kann die Mitarbeiterzahl auf 250 erhöht werden. 

Zweck und Ziel der Richtlinie ist es nicht nur, illegale Aktivitäten aufzudecken und zu verfolgen, sondern vielmehr Hinweisgeber zu schützen. Auch weitere beteiligte Personen oder Gruppen sollen von diesem Schutz profitieren. Whistleblower sollen weder arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten müssen, noch zivil- oder strafrechtlich belangt werden können. Auch verwaltungsrechtliche Folgen, etwa bei Beamten, sollen ausgeschlossen sein. 

In Frage kommen betriebs-, organisations- oder amtsinterne Meldungen, solche an eine zuständige Behörde oder ein Informieren der Öffentlichkeit über die Medien. Eine Vorgabe, welche Stelle wann und in welcher Reihenfolge zu nutzen ist, gibt es nicht. Die Meldung kann schriflich, mündlich oder persönlich erfolgen; eben diese Möglichkeiten müssen auch angeboten werden. Jede Meldung muss schriftlich, als Ton- oder Videoaufzeichnung dokumentiert werden und sicher vor dem Zugriff Unbefugter aufbewahrt werden. Der Eingang des Hinweises muss innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden; die Vertraulichkeit und Identität des Whistleblowers ist zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. 

Meldebox, Postanschrift, Mailadresse oder IT-Lösung

Dass eine Meldebox in den Räumen des Unternehmens, der Behörde oder Kommune so angebracht werden muss, dass sie ungesehen benutzt werden kann, ist nachvollziehbar. Eine Mailadresse dürfte für Whistleblower angenehmer sein. Sicherer für den Hinweisgeber ist jedoch eine Adresse, an die ein Postbrief geschickt werden kann, da ein Sachkundiger die IP-Adresse eines Mail-Absenders herausfinden kann. Dass Meldende in der Lage sind, ihre Mail entsprechend moderner technischer Möglichkeiten zu verschlüsseln oder zu tarnen, kann nicht vorausgesetzt werden. Die Hürden für Whistleblower müssen also so gering wie möglich sein. Eine IT-Lösung mit end-to-end-Verschlüsselung und Unterdrückung der IP-Adresse des Absenders wäre das Mittel der Wahl, kommt allerdings nur für große Unternehmen und Behörden in Betracht. Jedoch kann ausschließlich bei dieser Möglichkeit die in der Richtline geforderte Bestätigung der Meldung erfolgen und gleichzeitig der Whistleblower anonym bleiben.

Hotline oder Sprachaufzeichnung

Diese muss kostenlos erreichbar und rund um die Uhr besetzt sein. Die den Anruf entgegennehmende Ombudsperson muss persönlich und sprachlich in der Lage sein, die Meldung zu erfassen und einzuordnen sowie weiterzuleiten. Eine juristische Ausbildung ist jedoch nicht erforderlich. Eine die Meldung automatisch aufzeichnende Sprachbox ist gestattet, wenn gewährleistet ist, dass die Nachricht nicht gelöscht oder übersprochen werden kann. Hier ist jedoch die Anforderung, dass eine Meldung bestätigt werden muss, nicht erfüllt, wenn der Anrufer seine Kontaktdaten nicht preisgibt.

Persönliches Treffen

Es muss angeboten werden, dürfte jedoch nur selten in Anspruch genommen werden. Wenn ein persönliches Gespräch gewählt wird, muss sichergestellt werden, dass der Meldende durch Dritte nicht als solcher identifiziert werden kann. Ein neutraler Ort wäre hier das Mittel der Wahl. Auch hier muss der Vertraulichkeit höchste Priorität zugestanden werden. Die EU-Richtlinie kann in Bezug auf die Quittierung des Hinweises erfüllt werden, auch wenn der Whistleblower seinen Namen nicht nennt.