RECHTSLEXIKON: Überstunden

Die Zahlen aus dem Jahr 2020 lassen einen klaren Trend erkennen. Die monatlichen unbezahlten Überstunden sanken im Vergleich zu 2019 von durchschnittlich 23 auf 21,9, die bezahlten Überstunden gingen von durchschnittlich 22,3 auf 19 zurück. In Summe wurden 2020 rund 775 Millionen bezahlte und 892 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet (2019: 915 Millionen und 948 Millionen). Doch was versteht man eigentlich unter Überstunden und worin unterscheidet sich Mehrarbeit?

Überstunden sind über die im Arbeits- oder Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgelegten Arbeitszeit hinaus geleistete Tätigkeiten.

Mehrarbeit ist eine Überschreitung der allgemeinen gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen. So gilt beispielsweise nach dem Arbeitszeitgesetz ein Achtstundentag, der tarifvertraglich verlängert werden kann. 

Ein klassisches Praxisbeispiel: Ist eine Teilzeitregelung mit einer geringeren Stundenzahl als acht vereinbart, leistet ein Beschäftigter Überstunden, aber keine Mehrarbeit.

Die Anordnung und das Akzeptieren von Überstunden sorgt regelmäßig für Konflikte in den Betrieben. Die Rechtslage ist im Grunde klar, denn Arbeitgeber dürfen Überstunden nicht einseitig anordnen. Hier greift das oft herangezogene allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht, dieses endet nämlich außerhalb der im Arbeitsvertrag umschriebenen Pflichten des Beschäftigten. Diese Pflichten sind durch den Vorgesetzten im Einzelnen zu konkretisieren und auszulegen, dürfen aber nicht frei erweitert werden. Ohne eine entsprechende Vereinbarung ist kein Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet. In der Praxis wird diese Vereinbarung arbeits- oder tarifvertraglich, durch eine Betriebsvereinbarung oder auch individuell mündlich geschlossen.

Eine Verständigung darf sogar stillschweigend erfolgen, wenn sich beide Parteien einig sind. So kann ein Beschäftigter einfach weiterarbeiten und der Chef die geleisteten Überstunden später genehmigen. Hier entstehen allerdings häufig Verständigungsprobleme, die zu der Frage führen, ob die bereits geleisteten Überstunden bezahlt oder in Freizeit abgegolten werden müssen. Um diese Konflikte zu vermeiden, ist eine Überstundenregelung sinnvoll.

Will der Arbeitgeber erreichen, dass er einseitig Überstunden anordnen darf, muss vorab in einer individuellen oder gegebenenfalls in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden, wie viele Stunden höchstens zu leisten sind und ob sie vergütet werden, “abzufeiern” sind oder ob sie zulasten des Beschäftigten gehen. Letzteres wäre im Übrigen nur dann möglich, wenn der Vorgesetzte Überstunden generell nicht zulässt. Auch aus dem Tarifvertrag kann eine entsprechende Regelung hervorgehen. Kurz, der Arbeitnehmer hat ein Recht zu wissen, was konkret von ihm erwartet werden kann oder ob Überstunden grundsätzlich untersagt sind.

Eine gesetzliche Pflicht, Überstunden in Geld zu vergüten, existiert nur bei Auszubildenden. In den meisten Betrieben wird vereinbarungsgemäß Freizeitausgleich praktiziert. Welche Stundenzahl wie abgegolten wird, ist in jedem Fall vorab festzulegen, eine Pauschalisierung ist nicht gestattet. Auch die in Arbeitsverträgen häufig zu findende Klausel, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen, ist bei Mitarbeitern, die in die tariflichen Entgeltgruppen fallen, unzulässig. Sogenannte AT-Angestellte, in der Regel also Experten oder Führungskräfte, die eine außertarifliche Vergütung beziehen, sind davon ausgenommen. Fallen die Überstunden in die Nachtzeit gemäß § 2 Abs. 3 ArbZG, besteht gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG ein Anspruch auf einen angemessenen Nachtzuschlag. Das Bundesarbeitsgericht hält einen Zuschlag von 25 Prozent für angemessen.

Die Begründung, es sei “Not am Mann” gewesen und deshalb seien Überstunden einseitig angeordnet worden, ist eine häufig genannte – und sie ist fast immer rechtlich unzulässig. Echte Notfälle treten in Unternehmen in der Regel nicht ein. Auftragsspitzen gehören ebensowenig dazu wie Personalmangel. Sollte es jedoch zu einem objektiv außergewöhnlichen Ereignis kommen, kann die Treuepflicht des Arbeitnehmers seinen Einsatz erforderlich machen.

Der Abbau von Überstunden sorgt in der Praxis ebenfalls nicht selten für Ärger. Die Rechtslage gibt hier dem Arbeitgeber relativ freie Hand und erlaubt ihm, Überstunden dann abbauen zu lassen, wenn es in den betrieblichen Ablauf passt. Gibt es keine arbeitsvertragliche oder sonstige Regelung, greift das Weisungsrecht. Und in der Regel wird daraus kein verlängerter Urlaub …