Dürfen Arbeits- oder Tarifvertragsparteien die den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch übersteigenden Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche weitgehend frei regeln, gilt für alle anderen die gesetzliche Regelung des Bundesurlaubsgesetzes. Dieses lässt eigentlich keine großzügige Auslegung zu: Bis zum Jahresende oder spätestens bis zum 31. März des Folgejahres müssen Arbeitnehmer ihren Resturlaub nehmen, sonst droht nicht nur dessen Verfall (BUrlG §7), sondern auch der Ausschluss einer unter Umständen möglichen finanziellen Abgeltung für die nicht genommenen Urlaubstage. Der Grund ist, dass das Ansammeln von freien Tagen verhindert werden soll, weil das nicht nur zu betrieblichen Problemen führen kann, sondern auch der Sinn und Zweck des Urlaubs ad absurdum geführt wird: Abstand zum Unternehmen und zu den Kollegen, die physische und psychische Erholung sowie die Wiederherstellung der Motivation des Mitarbeiters.
Urlaub dient der Erholung
Der Grundsatz lautet also, dass der Jahresurlaub auch tatsächlich einer zu sein hat und nur gesetzliche sogenannte Sondertatbestände die Ausnahme von der Regel darstellen. Einschlägig sind hier beispielsweise die § 7 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BUrlG, § 17 Satz 2 MuSchG, § 17 Abs. 2 BEEG sowie § 4 Abs. 2 ArbPlSchG. Auch dringende Gründe können eine Übertragung der Urlaubsansprüche ins Folgejahr rechtfertigen. In erster Linie ist hier von einer längeren Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auszugehen, die den Urlaubsanspruch nicht erlöschen lässt – zumindest bis zu einer Krankheitsdauer von 15 Monaten, also eines (Urlaubs-) Jahres plus drei Monate Übertragungsmöglichkeit (BAG, Az.: 9 AZR 623/10). Aber auch die Erkrankung eines Angehörigen, der vom Arbeitnehmer gepflegt werden muss oder die Erkrankung des Lebensgefährten, mit dem der Urlaub verbracht werden sollte, zählt zu den Gründen, die Arbeitnehmer in der Regel ihren Urlaubsantritt verschieben lassen. In letzterem Fall wird davon ausgegangen, dass der Erholungscharakter, den der Urlaub haben sollte, nicht gegeben wäre. Im betrieblichen Kontext können terminkritische oder unerwartete Großaufträge, Saisongeschäfte, Probleme im Betriebsablauf – etwa die Krankheit von Mitarbeitern, technische Einführungen oder Umstellungen, gesetzliche Änderungen wie die Umsetzung der DSGVO – Gründe für eine Urlaubssperre oder Verschiebung des Urlaubs sein.
Anpassung der Rechtsprechung an EU-Recht
Doch ganz so einfach ist es nicht, denn war das Bundesarbeitsgericht in der Urlaubsfrage eher arbeitgeberfreundlich, muss es seine Rechtsprechung zum Urlaubsverfall künftig der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs anpassen. So hatte das BAG einem Arbeitnehmer, der keinen Urlaubsantrag gestellt hatte, die alleinige Schuld am Verfall seines Urlaubs gegeben. Der EuGH hingegen fordert, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass er seine Mitarbeiter angemessen über die Rechtslage informiert, vor allem aber, dass er sie in die Lage versetzt, Urlaub zu nehmen. Mehr noch, die Fürsorgepflicht gebietet es, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer quasi in Urlaub schicken, wenn diese in dieser Beziehung nicht selbst aktiv werden.
Dass mit Urlaub nicht etwa einzelne freie Tage gemeint sind, definiert das BUrlG in § 7 Abs. 2: „Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.“
Beim unterjährigen Arbeitsplatzwechsel können Arbeitnehmer den (Rest-) Urlaub aus dem vorherigen Arbeitsverhältnis mitnehmen.Der bisherige Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, eine Bescheinigung darüber auszustellen, wie viele Urlaubstage im laufenden Kalenderjahr bereits genommen oder abgegolten wurden (§ 6 Absatz 2 BUrlG).