Der Wegfall der Geschäftsgrundlage beschreibt nach deutschem Recht (§ 313 BGB) die nachträgliche, schwerwiegende Veränderung von Umständen, die den Vertrag für beide Parteien als selbstverständlich und unverzichtbar zugrunde lagen, sodass das Festhalten am Vertrag unter diesen neuen Bedingungen unzumutbar ist.
Definition und Voraussetzungen
- Die Geschäftsgrundlage umfasst die gemeinsamen oder klar erkennbaren Vorstellungen beider Vertragsparteien, die für den Vertragszweck wesentlich sind.
- Ein Wegfall liegt nur dann vor, wenn sich diese Umstände nach Vertragsschluss auf gravierende, unvorhersehbare Weise geändert haben und keiner Partei das Risiko dieser Änderung zuzurechnen ist.
- Der Rechtsgrundsatz dient als Korrektiv des sonst strengen Prinzips der Vertragstreue („pacta sunt servanda“).
- Nach § 313 BGB kann die betroffene Partei eine Anpassung des Vertrags verlangen; ist das nicht zumutbar, kann im Ausnahmefall der Vertrag aufgelöst werden.
Praxisbeispiel im Handwerk
- Ein Handwerksbetrieb schließt mit einem Kunden einen Vertrag über umfassende Arbeiten zu festen Preisen ab. Während der Vertragsausführung kommt es – unvorhersehbar – zu massiven Lieferengpässen und extremen Preissprüngen bei Materialien, z.B. verursacht durch eine weltweite Krise oder einen Krieg.
- Die kalkulierten Preise und die Möglichkeit fristgerecht zu liefern waren für beide Seiten selbstverständlich (Geschäftsgrundlage).
- Nun steigen die Materialkosten um 200%, Verzögerungen machen den ursprünglichen Zeitplan unmöglich. Das Festhalten am Vertragsinhalt ist für den Handwerker ruinös und der Kunde hätte den Vertrag unter diesen Bedingungen nicht geschlossen.
- Das Gesetz (§ 313 BGB) erlaubt nun dem Handwerker, eine Anpassung des Vertrages (z.B. Preisanpassung) zu verlangen. Ist auch das nicht möglich, kann der Vertrag notfalls aufgehoben werden.
Weitere typische Fallgruppen
- Währungsumstellung, plötzlicher Wegfall gesetzlicher Grundlagen, Pandemie-bedingte Betriebsschließungen.
- Beispiel Corona: Schließung von Geschäften oder Veranstaltungsstätten führte teils dazu, dass Mietverträge angepasst oder aufgelöst werden konnten.
Abgrenzung zu normalem Risiko
- Die Regel gilt nicht für Ereignisse, die im typischen Risikobereich einer Seite liegen (z.B. „normale“ Preissteigerungen).
- Sie ist eine letzte Ausnahme und greift nur, wenn andere vertragliche oder gesetzliche Mechanismen (Rücktritt, Anfechtung etc.) nicht verfügbar sind.