Vertragsrecht in Zeiten der Pandemie: Wer hat wann welche Rechte? (Teil 1)

Das Coronavirus hat nicht nur unser gesellschaftliches, sondern auch unser berufliches Leben verändert, nicht selten sogar zum Erliegen gebracht. Das Kontaktverbot gilt nun bundesweit, Unternehmen, die nicht systemrelevant sind, haben ihre Tätigkeiten stark reduziert oder ganz eingestellt. Menschen bleiben zu Hause oder arbeiten in Schichten, um zu vermeiden, sich zu nahe zu kommen. Die Wirtschaft fährt im ersten Gang – wie lange ist nicht abschätzbar. Umso mehr stellt sich die Frage: „Wer bezahlt das alles?“ Die Antworten finden sich fast ausschließlich im Vertragsrecht, also im Bürgerlichen Gesetzbuch. Auf diesem basiert jede Vereinbarung, die mit einem anderen getroffen wird, ob privat oder geschäftlich.

Stichwort: Höhere Gewalt

Juristen neigen dazu, einen entstandenen Schaden zu bestimmen und einen Schuldigen zu suchen. Im Falle von Corona ist das einfach: Ein Virus ist verantwortlich für die Herausforderungen, denen sich Unternehmer seit einigen Wochen und sicher noch einige Monate stellen müssen. Diese Tatsache ist leider keine gute Nachricht, denn ein Virus kann nicht zur Verantwortung gezogen und zu Schadensersatz verpflichtet werden. Bei Auslösern dieser Art – elementare Naturereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Hochwasser, Blitzschläge oder eben auch Pandemien – gibt es keinen Verursacher und damit auch niemanden, der haftbar zu machen ist. Der Staat, wie häufig angenommen wird, tritt nicht als Haftender ein, auch wenn er in der Regel Geschädigten aktiv und finanziell hilft.

Der Begriff für unkalkulierbare, nicht von Menschen herbeigeführte Schadenereignisse lautet „höhere Gewalt“. Er ist nicht in nur einem Paragraphen definiert, sondern zieht sich durch verschiedene Rechtsbereiche, die im Einzelfall zu prüfen sind.

Die Folge von wirtschaftlichen Schäden durch höhere Gewalt sind meist sogenannte Vertragsstörungen: Seitens des Lieferanten oder Dienstleisters kann nicht geliefert oder geleistet werden oder der Auftraggeber kann die Lieferung oder Leistung nicht abnehmen. In diesem Fall greift § 313 BGB – doch leider hat diese Norm viele weitere Gesetze und Regelungen im Schlepptau. So gelten etwa andere Bestimmungen, wenn der Kunde Verbraucher ist oder wenn ein Dauerauftrag vereinbart wurde. Auch sind im Baurecht andere Vorschriften maßgeblich als etwa im Handelsrecht.

Miteinander reden!

Die Kernaussage ist also, dass es keine grundsätzlich geltende Regelung gibt. Hat das Fitnessstudio geschlossen und hindert seine Mitglieder damit daran, ihre vertraglichen Rechte in Anspruch zu nehmen, muss für die Ausfallzeit auch kein Mitgliedsbeitrag bezahlt werden. Dasselbe gilt für Veranstaltungen. Den Schaden trägt der Betreiber beziehungsweise Inhaber oder Veranstalter. Hat jedoch bereits im Januar 2020 ein Kunde einen Handwerker mit der Durchführung von Arbeiten beauftragt, die jetzt terminiert sind, muss geklärt werden, ob objektive, in der Regel also gesetzliche Hinderungsgründe vorliegen oder ob der Auftrag erledigt werden kann und damit auch muss.

Wichtiger Hinweis: Ein Haftungsausschluss bei höherer Gewalt, wie er in vielen AGB zu finden ist, ist gegenüber Verbrauchern unwirksam.

Hier können verunsicherten und verängstigten Kunden gegenüber sachlich vorgebrachte Argumente helfen, die Sicherheit und Vertrauen schaffen. In den meisten Fällen werden Vertragsanpassungen die Lösung sein, denn ein behördliches Verbot dürfte nur wenige Unternehmen oder auch Kunden treffen. Doch es gilt zu beachten, dass Änderungen der Zustimmung beider Parteien bedürfen; eine Verschiebung von beispielsweise Arbeiten am Grundstück eines Auftraggebers darf nicht einseitig durch das ausführende Unternehmen erfolgen.

Allerdings ist auch während Krisenzeiten nicht zulässig, dass ein Kunde aus unbegründeter Sorge heraus einen Auftrag mit einem Garten- und Landschaftsbauunternehmen storniert, wenn keine objektive Gefahr für ihn damit verbunden ist, wenn alle Beteiligten die notwendigen Hygiene- und Sicherheits- sowie Abstandsregeln einhalten. Auch hier kann nur geraten werden, das Gespräch zu suchen und sich gut informiert zu zeigen. Was aber, wenn der Kunde selbst von Kurzarbeit oder Auftragsverlusten betroffen ist, also abzusehen ist, dass es finanzielle Probleme geben kann? Auch dann helfen nur Ehrlichkeit und Empathie. Nicht alles regeln Gesetze, dann sind wir als Menschen gefragt. Es wird ein Leben nach Corona geben!

Dieser Beitrag ist der Auftakt einer Reihe, in der wir konkrete Rechtsfälle besprechen, die sich aus der aktuellen Situation für Vertragsparteien ergeben können.

1 Trackback / Pingback

  1. Vertragsrecht in Zeiten der Pandemie: Wer hat wann welche Rechte? (Teil 2) – Recht kurzweilig

Kommentare sind geschlossen.