Vertragsrecht in Zeiten der Pandemie: Wer hat wann welche Rechte? (Teil 2)

Während die Unternehmen bezüglich der aktuellen Situation relativ gut informiert sind, zeigen sich Auftraggeber stark verunsichert. In den meisten Fällen sind Ängste und damit verbundene Auftragsstornierungen oder -verschiebungen unbegründet. Aktuell sind im Hoch- und Tiefbau sowie Garten- und Landschaftsbau keine größeren Einschränkungen zu erwarten – sofern die Arbeiten im Freien oder auf Baustellen durchgeführt werden. Innenarbeiten in bewohnten Räumen sind untersagt. Alle Tätigkeiten sind unter folgenden Bedingungen auszuführen:

Auf das strikte Einhalten des Abstandsgebotes zu anderen Menschen ist zu achten. Konkret bedeutet dies bei Warengeschäften, etwa wenn Pflanzen verkauft werden:

  • Keine persönliche Übergabe vom Lager an Kunden. 
  • Keine Selbstabholung. Überflüssige Wege vermeiden.
  • Kein Bargeldgeschäft. Rechnung, Vorkasse wählen.

Beim Lieferservices sowie auf Baustellen gilt:

  • Es ist grundsätzlich ein Abstand von mindestens 1,50 Metern einzuhalten – zwischen Mitarbeitern ebenso wie im Kundenkontakt. Besprechungen mit Auftraggebern und Angehörigen anderer Unternehmen, mit denen gemeinsam auf einer Baustelle gearbeitet wird, sollten stets im Freien stattfinden und keinesfalls in geschlossenen Räumen wie Bauwagen.
  • Möglichst wenige Gegenstände berühren, mit denen auch Dritte in Kontakt kommen. Das bedeutet auch, dass beispielsweise Außenwasserhähne nach dem Benutzen gründlich zu reinigen sind.
  • Die Räume des Kunden sind absolut tabu.
  • Desinfektionsmittel oder Einmalhandschuhe nutzen, wenn keine Möglichkeit zur Handwäsche gegeben ist. Handschuhe regelmäßig wechseln. Nicht ins Gesicht fassen! Mundschutz ist keine Pflicht, jedoch ist die Effektivität erwiesen. 
  • Auf Baustellen gelten die verschärften Hygieneempfehlungen. So ist eine eigene Toilette aufzustellen, die zu desinfizieren ist.

Aus diesen Regeln ergibt sich eine Reihe von Argumenten, die Unternehmen helfen, auch während der Corona-Krise ihre Aufträge zu erledigen und Kurzarbeit, Teilschließungen oder gar Insolvenzen zu vermeiden. Hilft Reden nicht, müssen gesetzliche Bestimmungen herangezogen werden, um Kunden davon zu überzeugen, nicht irrational zu agieren. 

Kontaktverbot und Unternehmensschließungen

In der Regel werden sich Auftraggeber auf das Kontaktverbot und auf Schließungen von Unternehmen berufen. 

—> Das Kontaktverbot ist zwingend einzuhalten. Wer darauf konsequent achtet, wird kritischen Kunden keinen Grund zur Beschwerde geben. 

—> Die meisten Unternehmen schließen nicht, weil sie müssen, sondern weil sie entweder ihre eigenen Mitarbeiter schützen wollen oder weil Aufträge wegbrechen oder weil sie Kosten reduzieren müssen. Schließungen betreffen in der Hauptsache Betriebe, in denen es nicht möglich ist, das Kontaktverbot umzusetzen. Im Baugewerbe und im Garten- und Landschaftsbau ist diesbezüglich kein Handlungsbedarf erkennbar.

—> Ein wirksamer Grund zur Verschiebung vereinbarter Termine oder gar zur außerordentlichen Kündigung von Verträgen ist nur in Ausnahmefällen gegeben. Eine behördlich angeordnete Isolierung auf Kundenseite könnte einer dieser Gründe sein. Darf ein Grundstück nicht betreten werden, müssen Arbeiten selbstverständlich zunächst verschoben werden. Eine Kündigung wäre jedoch nur dann möglich, wenn der Auftrag nicht verschoben werden kann, weil er nur „jetzt“ und objektiv zu keinem späteren Zeitpunkt mehr auszuführen ist. In diesem Fall kann sich der Kunde auf § 313 BGB (in Verbindung mit höherer Gewalt) berufen. Zu prüfen, ob dies zurecht geschieht, ist auch für juristische Laien nicht allzu schwierig. Nachfolgend der Paragraph sowie das Prüfungsschema, das Juristen anzuwenden haben:


§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.


I. Vertragliches Schuldverhältnis
II. Störung der Geschäftsgrundlage
Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sind Umstände, die zur Grundlage des entsprechenden Vertrages geworden sind.
1. § 313 I BGB
a) reales Element
Nachträgliche Änderung vertragswesentlicher objektiver Umstände.
b) hypothetisches Element
Kein Vertragsschluss bei Voraussehen dieser Änderungen.
c) normatives Element
Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag.
2. § 313 II BGB
III. Rechtsfolgen
1. Anpassung: § 313 I BGB (z.B. Verschiebung)
2. Rücktritts-/Kündigungsrecht: § 313 III BGB