Wenn der Fall so klar ist, wie der einer arbeitsunfähig geschriebenen Lehrerin, die ihre Tochter nach Australien zum „Dschungelcamp“ begleitet und dort sogar Interviews für RTL gegeben hatte, kann es kaum Zweifel daran geben, dass eine Kündigung gerechtfertigt ist. Da es sich um ein Beamtenverhältnis handelte, war das Verwaltungsgericht Lüneburg zuständig, dessen Urteil das niedersächsische Oberverwaltungsgericht unlängst bestätigte: Die Krankheit war simuliert, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes erschlichen. Kurz, der Arbeitgeber wurde betrogen (Az.: 3 LD 3/19).
10 Prozent der Arbeitnehmer machen „blau“
Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Harris Interactive aus dem Jahr 2016 planen 10 Prozent der deutschen Arbeitnehmer – davon 14 Prozent Männer und 6 Prozent Frauen – mehrmals im Jahr Auszeiten auf Krankenschein und empfinden diese Kurzurlaube als durchaus legitim. Den Schaden hat das Unternehmen. So stellt sich die Frage, wie man feststellen kann, ob ein Mitarbeiter wirklich krank ist oder nur keine Lust auf die Arbeit hat. Im zweiten Schritt gilt es zu klären, was man als Arbeitgeber gegen fortgesetztes „Blaumachen“ unternehmen kann.
Grundsätzlich dürfte es schwer fallen zu beweisen, dass Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit berechtigt sind. Da AU-Bescheinigungen keine Diagnosen beinhalten und der Anruf beim Arzt selbstverständlich ausscheidet, bleiben nur eigene Nachforschungen. Doch auch dabei sind die Grenzen äußerst eng gesteckt. Das Befragen von Nachbarn ist ebenso unzulässig wie der unangekündigte Krankenbesuch des Vorgesetzten zu Kontrollzwecken. Die Beauftragung eines Privatdetektivs ist zwar möglich, doch auch er hat nur begrenzte Möglichkeiten. Tut der Mitarbeiter nichts, das objektiv gegen eine Erkrankung spricht und gegen ihn verwendet werden kann – etwa im australischen Dschungel aufzutauchen -, gibt es kaum ein Mittel gegen „Schwänzer“.
Kaum Möglichkeiten zur Eindämmung
Das einzige Mittel ist das persönliche Gespräch, in dem der Verdacht geäußert werden kann, aber nicht muss. Ein gewisser Druck kann aufgebaut werden, indem der Arbeitgeber statt ab dem dritten Tag der Abwesenheit bereits ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes verlangt. Damit können typische Zweitagesabwesenheiten eingedämmt werden, allerdings zu dem Preis, dass aus zwei Tagen nicht selten eine volle Woche wird. Kann der Arbeitnehmer keine AU nachweisen oder bringt er nicht zeitnah den „gelben Zettel“, kann die Entgeltfortzahlung verweigert werden. Derartige Regelungen sollten aber unbedingt schriftlich fixiert werden.
Viele kurze Arbeitsunfähigkeiten können den Verdacht aufkommen lassen, der Betroffene verschaffe sich bezahlte Auszeiten. Bevor jedoch falsche Beschuldigungen geäußert werden, sollte der Arbeitgeber bei der Krankenkasse nachfragen, ob vorhergehende Arbeitsunfähigkeiten mit identischen Diagnoseschlüsseln ausgestellt wurden. Das kann online erledigt werden. Bestätigt die Krankenkasse dies, kann eher auf eine chronische Erkrankung geschlossen werden als auf „Blaumachen“. Auch dann kann das Gespräch gesucht werden, allerdings mit anderem Grundtenor. Möglicherweise kann Hilfe angeboten, zumindest aber Mitgefühl geäußert und Vertrauen aufgebaut werden.
Der Weg über die Krankenkasse und den MDK
Als ultima ratio kann der Arbeitgeber von der zuständigen Krankenkasse verlangen, dass diese eine gutachterliche Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einholt. Da die Krankenkasse alle Daten vorliegen hat, kann sie das Einschalten des MDK verweigern, wenn der Datenlage keine Anhaltspunkte für falsche Krankmeldungen zu entnehmen ist. Auch damit hat der Arbeitgeber Klarheit gewonnen, ohne dass der Mitarbeiter davon Kenntnis erlangt.
Gibt der MDK sein Gutachten ab und lässt darin Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit erkennen, wird zunächst die Krankenkasse informiert und der behandelnde Arzt zu einer Stellungnahme aufgefordert. Kann er seine Krankschreibung nicht ausreichend begründen, greift die Krankenkasse den Fall auf und informiert den Arbeitgeber, ob und bis wann der MDK eine Arbeitsunfähigkeit gegeben sah oder sieht. Erst mit diesen Beweisen kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Schritte einleiten.