Wenn das Team droht: Wann Druckkündigungen zulässig sind

Ein ungewöhnlicher Fall aus Niedersachsen zeigt, wie schwierig der Spagat zwischen Fürsorgepflicht und betrieblicher Realität sein kann: Ein Nahverkehrsunternehmen kündigte einem langjährigen Mitarbeiter, weil Kolleginnen und Kollegen nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wollten. Einige drohten sogar, selbst zu kündigen. Doch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen erklärte die Entlassung für unwirksam (Az.: 10 SLa 687/24).

Wenn ein Streit eskaliert

Der gekündigte Arbeitnehmer war tariflich ordentlich unkündbar. Nach mehreren Konflikten mit dem Team hatte der Arbeitgeber schließlich eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen. Grund: Der Druck der Belegschaft war so groß, dass zahlreiche Beschäftigte ihre Versetzung beantragten oder sich krankmeldeten. Das Gericht zeigte dafür zwar Verständnis, ließ die Kündigung aber nicht gelten.

Was ist eine Druckkündigung?

Wenn Beschäftigte oder der Betriebsrat die Entlassung einer bestimmten Person fordern und andernfalls mit Streik oder Kündigungen drohen, spricht man von einer sogenannten Druckkündigung. Die Rechtsprechung unterscheidet zwei Varianten:

  • Unechte Druckkündigung: Ein objektiver verhaltens- oder personenbedingter Grund liegt vor. Der Arbeitgeber kann darauf reagieren, muss aber nicht.
  • Echte Druckkündigung: Es gibt keinen objektiven Grund. Die Kündigung soll allein den Druck Dritter abwenden, etwa um wirtschaftliche Schäden zu verhindern. Hier gelten besonders hohe Anforderungen.

Nur wenn die Kündigung wirklich das einzige Mittel ist, um drohende gravierende Folgen wie Streik oder Massenkündigungen zu verhindern, kann sie ausnahmsweise rechtmäßig sein.

Arbeitgeber muss Druck aushalten

Das LAG stellte klar: Bevor gekündigt wird, muss der Arbeitgeber nachweisbar versuchen, den Konflikt auf anderem Wege zu lösen. Dazu gehören Vermittlungsgespräche, Mediation oder organisatorische Maßnahmen. Im besagten Fall hatte der Arbeitgeber lediglich erklärt, arbeitsrechtliche Schritte seien „nicht so leicht“. Doch das genügte dem Gericht nicht.

Auch ein begonnenes Mediationsverfahren hätte fortgesetzt werden müssen. Zudem fehlte eine Abmahnung, obwohl für eine verhaltensbedingte Kündigung ein konkretes Fehlverhalten nachweisbar sein muss. Der Arbeitgeber konnte sich auch nicht mit einem Auflösungsantrag retten. Eine solche Möglichkeit gibt es nur bei unwirksam gewordenen ordentlichen Kündigungen. Hier war jedoch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen worden. Diese werteten die Richter als unzulässig.

Reden und dokumentieren

Die Entscheidung zeigt: Wer als Arbeitgeber dem Druck im Betrieb nachgibt, ohne vorher das Gespräch zu suchen und Lösungsversuche zu dokumentieren, riskiert eine Niederlage vor Gericht. Vorgesetzte sind verpflichtet, den betroffenen Mitarbeiter zunächst zu schützen, selbst wenn der Rest der Belegschaft auf Konfrontationskurs geht. „Alle gegen einen“ ist kein Argument.

Recht kurzweilig
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