In der arbeitsrechtlichen Praxis sorgt die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer während der Probezeit immer wieder für Verwirrung. Ein aktueller Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, die klare Rechtslage zu kennen und anzuwenden.
Der Fall: Verwirrung um eine Kündigung
Ein Schwerbehinderter wurde während seiner Probezeit gekündigt. Zunächst entstanden nach der Klage des Arbeitnehmers Unsicherheiten über die Wirksamkeit dieser Kündigung, da der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nach § 168 SGB IX grundsätzlich eine vorherige Zustimmung des Integrationsamtes erfordert. Diese Verwirrung bei Fachrichtern ist nicht wirklich nachvollziehbar und führt zu einem falschen Verständnis der Rechtslage.
Die Rechtslage: Probezeit geht vor
Die Kündigung war und ist wirksam, urteilte korrekt und letztinstanzlich das BAG (BAG, Az.: 2 AZR 178/24; Vorinstanz: LAG Thüringen, Az.: 1 Sa 201/23). Dies ergibt sich aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 168 Abs. 1 SGB IX, wonach der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nicht während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gilt.
„Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt nicht […] während der ersten sechs Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.“
Diese Regelung bedeutet konkret, dass in den ersten sechs Monaten der Arbeitgeber keine Zustimmung des Integrationsamtes benötigt. Der allgemeine Probezeitkündigungsschutz nach § 622 Abs. 3 BGB gilt auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer, eine Kündigung ist daher mit der normalen zweiwöchigen Kündigungsfrist möglich.
Die Ausnahme während der ersten sechs Monate hat ihren Grund: Sie soll verhindern, dass Arbeitgeber aus Furcht vor dem besonderen Kündigungsschutz auf die Einstellung schwerbehinderter Menschen verzichten. Das Gesetz schafft hier einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer und den berechtigten Interessen der Arbeitgeber.
Bedeutung für Arbeitgeber
- Eine Kündigung in den ersten sechs Monaten ohne Zustimmung des Integrationsamtes ist möglich.
- Dennoch sind die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze zu beachten.
- Eine sachgrundlose Kündigung während der Probezeit ist und bleibt zulässig.
- (Erst) Nach Ablauf der sechs Monate greift der besondere Kündigungsschutz vollumfänglich.
Eigentlich war der Fall klar …
Die anfängliche Verwirrung um die Wirksamkeit der Kündigung zeigt, wie wichtig es ist, die gesetzlichen Bestimmungen genau zu kennen (oder nachzulesen), denn § 168 SGB IX regelt die Situation eindeutig. Diese klare Regelung schafft Rechtssicherheit für beide Seiten. Arbeitgeber können sich darauf verlassen, dass Probezeit-Kündigungen auch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern nach den allgemeinen Regeln möglich sind.