Arbeitsunfall: Grenzfälle sorgen für Unsicherheit

Einerseits fasst das Arbeitsrecht die Direktionsfreiheit des Arbeitgebers durchaus weit, andererseits schaut die Berufsgenossenschaft bei Arbeitsunfällen sehr genau hin, ob die zur Verletzung geführte Tätigkeit zu den regelmäßig objektiv geschuldeten Arbeitspflichten gehört. Bei einen gemischten Aufgabenspektrum werden die einzelnen Bestandteile analysiert, eingestuft und bewertet. Das Sozialgericht Gießen stimmte in einem aktuellen Urteil diesem Vorgehen zu (Az.: S 1 U 45/16).

So wurden einer Arbeitnehmerin, die beim Kehren von Herbstlaub ausrutschte und sich das Sprunggelenk brach, Entschädigungsleistungen verweigert. Als Begründung führte die Berufsgenossenschaft an, dass die Frau für Reinigungstätigkeiten im Haus eingestellt worden war und diese auch regelmäßig ausübte. Am Unfalltag habe es sich jedoch nicht um eine unmittelbar betriebsbezogene Tätigkeit gehandelt, es fehle also an einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Auch von einer Einzelfallanordnung könne nicht ausgegangen werden. 

Im Homeoffice gelten strengere Regeln

Das Bundessozialgericht nahm Stellung zu Unfällen, die zwar zu Hause, jedoch bei der Ausübung der Tätigkeit passieren. So kann der Sturz auf der (privaten) Kellertreppe als Arbeitsunfall anerkannt werden, wenn er auf dem Weg vom oder zum Arbeitsplatz erfolgt. Das Bayerische Landessozialgericht hatte das verneint (Az.: B 2 U 28/17 R). 

Relevant sind die Tätigkeiten, die dem Unfall vorausgingen oder unmittelbar folgen sollten. So wäre der Weg in die Küche zum Kaffee holen und zurück zum Arbeitsplatz nicht versichert, ebensowenig der Gang zur Toilette oder zur Haustür, um privaten Besuchern oder Familienangehörigen zu öffnen. Bei der Postzustellung muss ebenfalls unterschieden werden, ob persönliche oder betriebliche Sendungen entgegengenommen wurden. Im Urteilsfall war jedoch der Gang in den Keller ausschließlich geplant, um vom dortigen Büro aus den Geschäftsführer des Arbeitgebers anzurufen. Dabei handelte es sich um eine rein dienstliche Angelegenheit, die ausschließlich im Sinne des Unternehmens war.