BFH hält Zinshöhe für verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Die Entscheidung ist zu §§ 233a, 238 der AO ergangen. Danach betragen die Zinsen für jeden Monat 1,5 Prozent einer nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer. Nach dem Beschluss des BFH bestehen „im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO.“ Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des GG verletze.

Kein Grund zu erkennen

Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe erkannte der BFH nicht. „Auf Grund der auf moderner Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i. S. d. § 247 BGB nicht mehr entgegenstehen.“ Für die Höhe des Zinssatzes fehle es schlicht an einer Begründung. Der Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht, so die Urteilsbegründung, bestehe darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhalte, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen könne. Dieses Ziel sei wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im typischen Fall für den Streitzeitraum nicht erreichbar.

Verbot des „Übermaßes“

Überdies bestünden schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot entspreche. Die Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung. Der Gesetzgeber habe zu überprüfen, ob die Zinshöhe herabgesetzt werden müsse, wenn die Marktbedingungen dies ermöglichen oder erzwingen. Der BFH hat daher in einem summarischen Verfahren Aussetzung der Vollziehung gewährt (BFH, Az.: IX B 21/18).