Gilt bei Anwaltsverträgen das Fernabsatzrecht?

Ob und unter welchen Umständen Anwaltsverträge gekündigt werden können und wie im Kündigungsgrund das Honorar berechnet werden muss oder darf, ist nicht selten ein Klagegrund vor Amts- und Landgerichten. Diesmal ging der Streit um eine Rechnung bis zum Bundesgerichtshof. Dort lief zuletzt alles auf die Frage hinaus: War der Mandant überhaupt einer?

Planvolles Vorgehen bei der Akquise

Eine Anwaltskanzlei hatte einer GmbH eine Vielzahl von Fragebögen und Blankovollmachten überlassen. Das Unternehmen hatte diese Vollmachten gezielt an unzufriedene Anteilseigner einer Fondsgesellschaft verschickt und damit für die Kanzlei einen Mandanten zur außergerichtlichen Streitschlichtung geworben. Der Anwalt wurde aktiv, kontaktierte den Konfliktgegner, konnte mit diesem jedoch keine Einigung erreichen. Daraufhin bat er den Mandanten um die Unterzeichnung einer weiteren Vollmacht, die ihm erlaubt, Klage einzureichen. Der Mandant lehnte ab, worauf die Kanzlei ihm eine Rehnung über außergerichtliche Beratung schickte. Die Begleichung wiederum wollte der Mandant nicht übernehmen und widerrief den mit der ersten Vollmacht geschlossenen Anwaltsvertrag unter Berufung auf sein Widerrufsrecht nach dem Fernabsatzgesetz. Zur Erinnerung: Die Vollmacht war dem Mandanten per Post zugestellt worden, ohne daß er seinen Anwalt bis zu diesem Zeitpunkt jemals gesprochen oder gar gesehen hatte.

Greifen die Regelungen zum Fernabsatz?

Individuell angepasste Dienstleistungen wie sie mittels eines Anwaltsvertrags vereinbart werden, sind in der Regel nicht widerrufbar, sondern lediglich kündbar. Das Honorar wäre also fällig. Doch warum sollte das auf dem Wege des Fernabsatzes unterbreitete Angebot zum Abschluss eines Anwaltsvertrags anderen Regeln unterliegen als es bei allen anderen Rechtsgeschäften der Fall ist? Der Bundesgerichtshof beantwortete diese Frage zugunsten des Mandanten und stärkte damit den Schutz betroffener Verbraucher. Nutze eine Kanzlei moderne Vertriebsformen über das Internet – zudem in diesem Fall unter Einschaltung eines Dritten -, muss es sich auch an die einschlägigen Gesetze halten. Dazu gehört auch, potenzielle Mandanten auf das 14-tägige Widerrufsrecht hinzuweisen. Bleibt dieser Hinweis aus, verlängert sich das Recht auf unbestimmte Zeit.

Der BGH stellte also fest, dass aufgrund des rechtswirksamen Widerrufs der Mandant erst gar keiner geworden war. Und damit gilt: kein Auftrag, kein Honorar (BGH, Az.: IX ZR 204/16).