Gleiche Arbeit, gleiches Entgelt

“Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.”

Art. 157 AEUV

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Daran ändert auch ein vermeintlich besseres männliches Verhandlungsgeschick nichts. Das ist der Tenor eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 8 AZR 450/21). Dieses setzt nun erstmals die EU-Vereinbarung zu Equal Pay um, obwohl die entsprechende Gesetzgebung bereits im deutschen Recht verankert ist.

Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

§ 7 EntgTranspG

Zwar ermöglicht es das Entgelttransparenzgesetz Arbeitnehmerinnen in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern, ihren Arbeitgeber aufzufordern, die Gehälter offenzulegen, um zu überprüfen, ob eine Diskriminierung vorliegt oder ob objektive Gesichtspunkte als Maßstab für unterschiedlich hohe Entgelte herangezogen wurden. Zwar gilt Equal Pay auch in kleineren Betrieben, doch doch der Nachweis fällt häufig schwer.

Einblick in die Gehaltslisten unabdingbar

Die Klägerin hatte die Möglichkeit, Gehälter zu vergleichen und daraufhin die Auffassung vertreten, ihr Arbeitgeber müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen, zumal sie dieselbe Tätigkeit verrichte. Das mit 1.000 Euro signifikant geringere Gehalt hielt sie für eine Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und forderte eine Nachzahlung für mehrere Jahre. Dafür ging sie bis zum Bundesarbeitsgericht. Dessen achter Senat schloss sich ihrer Auffassung in dem Punkt an, dass der Arbeitgeber nicht in der Lage war, die Vorwürfe zu widerlegen – und das muss er gemäß § 22 AGG (BAG, Az.: 8 AZR 488/19).

“Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

§ 22 AGG

Das Ende freier Vertragsverhandlungen?

Wenn gleiche Arbeit gleiches Entgelt bedeutet, was bedeutet das für Gehaltsverhandlungen? Helfen gute Verhandler allen Kollegen, die vergleichbare Tätigkeiten ausüben, zu mehr Geld? Müssen Gehälter automatisch angepasst werden, wenn neue Mitarbeiter mit höheren Einstiegslöhnen starten?

Diese Fragen werden in der Praxis mit akribischer Dokumentation beantwortet werden müssen. Je individueller die Stellenbeschreibungen ausgearbeitet sind und je deutlicher die Unterschiede zu anderen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen hervortreten, desto sicherer ist der Arbeitgeber vor einem Diskriminierungsvorwurf – der im Übrigen auch dann greift, wenn Männer weniger verdienen als Frauen.