Von der Ladung und ihren Konsequenzen

Im Postkasten liegt ein “blauer Brief”. Darin befindet sich eine behördliche oder gerichtliche Ladung oder Vorladung. Welche Bedeutung hat dieses Schreiben? Welche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten hat der Empfänger? Welche Konsequenzen hat eine Nichtbeachtung? Und wie läuft das mit diesem Brief eingeleitete Verfahren ab dem Zeitpunkt der Zustellung beziehungsweise Kenntnisnahme ab?

Behördliches, OWi- und Strafverfahren

Um zu gewährleisten, dass Beteiligte eines behördlichen Verfahrens ihr grundgesetzlich verankertes Recht auf Anhörung (Art. 103 Abs. 1 GG;  § 66 Abs. 1 VwVfG) wahrnehmen können, aber auch, um statt einer reinen Entscheidung nach Aktenlage strittige oder fragliche Sachverhalte zu klären, sind Behörden verpflichtet, Ladungen beziehungsweise Vorladungen auszustellen.

Wird in dieser Ladung oder Vorladung das Erscheinen der Partei nicht explizit angeordnet, besteht keine Pflicht, den Termin wahrzunehmen. Jedoch muss die Behörde darauf hinweisen, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten gegebenenfalls auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Der Verwaltungsakt ist dann schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten zuzustellen. 

Unterschied zwischen Vorladung und Ladung

Eine Vorladung ist eine schriftliche Aufforderung zum persönlichen Erscheinen einer Person. Ausgestellt wird sie von einer Strafverfolgungsbehörde, einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft. Adressaten sind typischerweise Verdächtige in einem Strafverfahren, jedoch auch Zeugen oder Sachverständige.

Eine Ladung stellt eine formelle Benachrichtigung einer Person über deren Pflicht dar, vor Gericht oder bei einer Behörde zu erscheinen. Sie hat in der Regel den Zweck, einen Sachverhalt aufzuklären und dem Geladenen die Möglichkeit einer Stellungnahme oder Aussage zu geben.

Handelt es sich bei der die Ladung oder Vorladung ausstellenden Behörde um die Polizei, steht also der Verdacht eines Delikts oder einer Ordnungswidrigkeit im Raum, ist die Staatsanwaltschaft die verantwortliche Behörde; die Polizei übernimmt lediglich die Ermittlungen in ihrem Auftrag. Wird der Ladung oder Vorladung der Polizei nicht Folge geleistet, hat das zunächst keine Auswirkungen für den Beschuldigten, bis die Staatsanwaltschaft nach Aktenlage entschieden hat, ob sie das Verfahren weiterhin verfolgen oder einstellen will. Eine Vorführung ist nur aufgrund eines Beschlusses durch einen Richter möglich.

Wird das Ermittlungsverfahren betrieben und Klage eingereicht, ist das persönliche Erscheinen des oder der Beteiligten zum Verfahrenstermin vor dem örtlich und sachlich zuständigen Gericht zwingend anzuordnen. Ohne den Angeklagten und ohne die geladenen Zeugen kann ein Termin für ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht stattfinden. Entsprechend streng sind die Konsequenzen für ein Fernbleiben.

Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess

Auch einer Ladung zu einem Gerichtsverfahren im Rahmen eines Zivil- oder Arbeitsgerichtsprozesses ist nur dann persönlich Folge zu leisten, wenn dies explizit angeordnet wird. Die Ladung wird entweder der Partei, in der Regel mittels förmlicher Zustellung, oder deren Anwalt zugesandt. Dieser ist verpflichtet, seinen Mandanten zu informieren, zu beraten und zu vertreten. Erscheint er nicht zu einem geladenen Termin, muss er sich mit einen objektiv nachvollziehbaren Grund entschuldigen, sonst drohen ihm und unter Umständen auch seinem Mandanten rechtliche Konsequenzen.

Vertreter

Person, die mittels Vollmacht die Berechtigung erlangt hat, für eine andere natürliche oder juristische Person rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen. Die Befugnis zur Vertretung erlischt entweder nach dem Ende des explizit bevollmächtigten Geschäftsakts oder mit dem Tod des Bevollmächtigten.

Am Amtsgericht besteht außer bei Familienangelegenheiten kein Anwaltszwang, bei höheren Instanzen ab dem Landgericht oder Landesarbeitsgericht ist ein Anwalt vorgeschrieben. Diesem ist vom Gericht jeder Schriftwechsel zuzustellen und als Rechtsvertreter ist er auch verantwortlich dafür, dass Ladungen und Vorladungen Folge geleistet wird. Doch im Gegensatz zum Anwalt, hat ein Prozessbeteiligter nicht grundsätzlich bei Gericht zu erscheinen. Dafür ist neben einer Ladung ein weiterer rechtswirksamer Schritt notwendig.

Anordnung des Per­sön­li­chen Erscheinens

Da einer münd­li­chen Ver­hand­lung grund­sätz­lich eine Güte­ver­hand­lung vor­aus­zu­gehen hat, ist die Anord­nung des per­sön­li­chen Erschei­nens zum ersten Pro­zess­termin für das Gericht verpflichtend. Diese ist mit einer rechtlichen Belehrung im Hinblick auf die Folgen des Nichterscheinens zu versehen und an die Prozessbeteiligten direkt zuzustellen, nicht (nur) dem Anwalt. Da stets auf eine gütliche Einigung hingewirkt werden soll, kann das Gericht auch bei weiteren Verhandlungsterminen das per­sön­liche Erscheinen beider Par­teien anordnen. Dies gilt auch, wenn dies zur Auf­klä­rung des strittigen Sach­ver­halts notwendig erscheint.

Güteverhandlung

Im Zivilprozess steht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits an erster Stelle, weswegen eine Güteverhandlung (§ 278 ZPO) dem ersten Prozesstermin vorausgeht. Ist im Vorfeld ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle gescheitert oder erscheint objektiv nicht zielführend, kann davon abgesehen werden. Auch Arbeitsgerichtsprozessen geht stets eine Güteverhandlung voraus (§ 54 ArbGG).

Ist die Anreise aufgrund der Entfernung unzumutbar oder sprechen andere wichtige Gründe dagegen, kann von der Anord­nung absehen werden. Als Alternative bietet sich auf Antrag des Betroffenen oder auf Anordnung des Gerichts eine Videokonferenz an. Während der Corona-Pandemie kam dieses Vorgehen häufig zum Einsatz und hat sich bewährt.

Nichterscheinen hat Folgen

Das Amts- oder Arbeitsgericht hat in der Regel keinen Grund, Zwangsmaßnahmen zu verhängen, schließlich ist es im Sinne der Parteien, ihr jeweiliges Anliegen vorzutragen. Taucht eine Partei jedoch nicht auf und schickt auch keinen (anwaltlichen oder bei juristischen Personen mit Sachkunde und Vollmacht ausgestatteten) Vertreter, kann das Gericht nach Aktenlage entscheiden oder ein Versäumnisurteil erlassen. Dieses ermöglicht der gegnerischen Partei die sofortige Vollstreckung; die Kosten des Verfahrens sind stets von der säumigen Partei zu bezahlen. Die Widerspruchsfrist ist im Vergleich um normalen Prozess verkürzt und versetzt den Rechtsstreit zurück in den Stand vor dem Versäumnisurteil.

Versäumnisurteil

Ein Versäumnisurteil ergeht nur im Zivilprozess auf Antrag einer Partei, wenn der Gegner zum Termin trotz ordnungsmäßiger Ladung nicht erscheint oder nicht verhandelt beziehungsweise als Vertreter nicht sachkundig oder entscheidungsbefugt ist.

Ist vom Gericht das persönliche Erscheinen angeordnet, kann ein Ordnungsgeld erlassen werden. Dieses droht auch einem grundsätzlich und ausnahmslos persönlich aufzutretenden Zeugen, der zum Termin nicht anwesend ist. Sinn und Zweck der Zwangsmaßnahmen, die bis zur Vorführung durch die Polizei und sogar Ordnungshaft bis zu sechs Wochen gehen kann, ist die zügige Aufklärung eines Sachverhalts oder Durchführung eines Prozesses, um die Justiz zu entlasten.

Vertretung ist möglich

Auch wenn das persönliche Erscheinen angeordnet ist, kann ein Vertreter die Partei vertreten, jedoch nur dann, wenn er umfassend alle entscheidungsrelevanten Fragen des Gerichts und der gegnerischen Partei beantworten kann und zu rechtswirksamen Erklärungen, etwa zu einem Vergleichsangebot, befugt ist. Kann er das nicht, darf das Gericht den Vertreter ablehnen und ein Versäumnisurteil erlassen. Ohne Absprache ist eine Vertretung nicht ratsam, denn es obliegt dem Gericht, ob es einen anderen Prozessbeteiligten als den Geladenen zulässt. Von der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist die betroffene Partei auch mit Zustimmung des Gerichts nicht entbunden, lediglich die Verhängung eines Ordnungsgeldes wird durch das Entsenden eines Vertreters vermieden.

Krankheit schützt im Übrigen nicht vor Gerichtsterminen, denn eine vom Haus­arzt aus­ge­stellte Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung stellt für das Gericht keinen hinreichenden Ent­schul­di­gungs­grund dar. Per­sön­li­ches Erscheinen vor Gericht ist nicht von der Arbeits­fä­hig­keit abhängig, sondern von der Reisefähigkeit und der Fähigkeit, bei Gericht auszusagen. Ist beides aufgrund einer Erkrankung nicht gegeben, muss der Arzt dies ausdrücklich attestieren. Urlaub, Terminüberschneidungen (außer mit anderen Gerichtsterminen) oder gar zeitliche Überlastung des Geschäftsführers eines Unternehmens werden als Gründe für eine Terminverlegung nicht akzeptiert.

1 Trackback / Pingback

  1. Videokonferenz ist Ermessensentscheidung des Gerichts – Recht kurzweilig

Kommentare sind geschlossen.