Rechtslexikon: Die Treuepflicht des Arbeitnehmers

Alle Schuldverhältnisse basieren auf dem Grundsatz, dass der Schuldner die Leistung so zu erbringen hat, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Neben den Hauptpflichten, die sich aus dem Vertragsinhalt ergeben, werden den Parteien auch Nebenpflichten auferlegt, die nur selten explizit in Vereinbarungen aufgeführt sind. Im Arbeitsrecht ist die Hauptpflicht selbstverständlich die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und auf Seiten des Arbeitgebers die entsprechende Entlohnung. Wichtigste Nebenpflicht ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Ihr gegenüber steht die Treuepflicht des Arbeitnehmers. Darunter versteht man im weitesten Sinne, dass ein Mitarbeiter im Rahmen seiner Möglichkeiten die Interessen seines Arbeitgeber zu wahren und seine Rechte so auszuüben hat, dass der „Treu und Glauben-Grundsatz“ nicht verletzt wird.

Individuell und Einzelfallabhängig

Einige dieser Pflichten sind etwa das rechtzeitige Anzeigen einer voraussehbaren Arbeitsverhinderung. Damit ist weniger das Beibringen eines Attests gemeint, das eine Arbeitsunfähigkeit belegen soll, sondern die Information darüber, dass im Betrieb eine Vertretung organisiert werden muss, damit kein Ausfallschaden entstehen oder dieser so gering wie möglich gehalten werden kann. Auch in den Bereich der Informationspflicht gehört, dass Störungen oder Schäden am Arbeitsplatz oder im Betrieb gemeldet und gegebenenfalls beseitigt werden müssen, um Unfälle oder Folgeschäden zu vermeiden. Handelt es sich um ein arbeitsschutz- oder sicherheitsrelevantes Problem, gilt die verschärfte Pflicht, dieses unverzüglich zu melden. Dass jederzeit Auskünfte über eigene Tätigkeiten, Arbeitszeiten und Erledigungsgrade erteilt werden müssen, kann hingegen zum Teil der Arbeitspflicht zugerechnet werden. Da jedes Unternehmen seine Besonderheiten hat, hängt der Umfang der Treuepflicht von den Umständen des Einzelfalls ab. 

Erfahreneren und qualifizierteren Arbeitnehmern sowie jenen, die eine höhere Stellung im Betrieb innehaben, wird eine größere Treuepflicht zugerechnet. Auch die Nähe und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber ist entsprechend zu gewichten. Hier können zu den eigenen Pflichten auch Kontrollpflichten kommen, selbst dann, wenn man nicht der disziplinarische Vorgesetzter der Kollegen ist. Beispielsweise sind Fehler oder Verfehlungen, die andere Mitarbeiter begehen, zu melden. Auch hier gilt, dass Schäden wirtschaftlicher Art, aber auch Personenschäden weitgehend unterbunden werden sollen. Das Ende der Betriebszugehörigkeit markiert nicht auch das Ende der Treuepflicht, wenn eine weitere Bindung an den Arbeitgeber besteht. Hierbei ist an eine Betriebsrente zu denken.

Wann endet die Treuepflicht?

So weit, dass die eigenen Interessen des Arbeitnehmers hinter denen des Arbeitgebers zurückstehen, geht die Treuepflicht jedoch nicht. Häufig gefordert wir das Verbot, in der Freizeit gefährliche Sportarten auszuüben, damit die Unfallgefahr gering gehalten und ein Ausfall mit Lohnfortzahlung vermieden wird. Das ist jedoch nicht mit den Rechten des Mitarbeiters auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und grundsätzlich seiner Lebensgestaltung zu vereinbaren. Auch seine Grenzen findet die Treuepflicht bei Verhandlungen über Lohnerhöhungen, bei Arbeitsgerichtsklagen, Gewerkschaftsmitgliedschaft und der Teilnahme an Streiks, bei einer Kündigung mit Wechsel des Arbeitgebers oder bei der Planung der beruflichen Selbstständigkeit. Verboten ist aber das Abwerben von Kunden und Kollegen.

Eine Verletzung der Treuepflicht kann arbeitsrechtliche, aber auch zivilrechtliche Folgen haben. In Betracht kommen eine Ermahnung, die juristisch deutlich gewichtigere Abmahnung mit im Wiederholungsfall möglicher personenbedingter Kündigung, oder, bei schwerwiegenden Vorkommnissen, sogar eine fristloser Entlassung. Im Einzelfall können auf den Arbeitnehmer sogar Schadensersatzforderungen zukommen.